Lars Keppler: Spinnennetz
Klappentext:
Knapp nur hat Kommissarin Saga Bauer den letzten Einsatz überlebt. Bevor sie endlich die Reha-Klinik verlassen kann, erreicht sie noch eine handgeschriebene Postkarte: „Eine blutrote Pistole liegt vor mir. In deren Magazin befinden sich neun weiße Kugeln. Eine dieser Kugeln ist für Joona Linna bestimmt. Die einzige Person, die ihn retten kann, bist du.“ Unterschrieben ist die Karte mit einem Anagramm vom Serienmörder Jurek Walter. Als Saga von dieser Drohung Joona Linna erzählt, winkt der ab. Er ist sicher, dass Jurek Walter nicht mehr lebt. Doch bald wird klar, dass die Drohung ernst gemeint war. Und damit beginnt die gefährlichste Jagd auf einen Serienmörder, die Schweden je erlebt hat …
Hochspannung ist von Anfang an in diesem Buch mit dem passenden Cover gegeben. Die Handlung erstreckt sich über pralle 656 Seiten und wieder einmal spielt Jurek Walter eine wichtige Rolle. Saga Bauer erhielt vor Jahren eine Postkarte in der beschrieben wird, dass es eine blutrote Pistole mit 9 weißen Kugeln gibt. Eine dieser Kugeln ist für Joona Lina bestimmt. Inzwischen hat sie die REHA-Klinik verlassen, arbeitet als Detektivin und hofft bald wieder als Polizistin/mit Joona Lina arbeiten zu können.
Der erste Mord geschieht, bei dem das Opfer mit einer weißen Kugel getötet wird. Wird Joona Lina nun das nächste Opfer sein? Bald wird klar, dass ein Serienmörder unterwegs ist. Lebt Jurek Walter doch noch? Hat er einen Komplizen?
Bereits in der Mitte des Buches wird die Identität des Serienmörders gelüftet, was der Spannung keinen Abbruch tut.
Wie ich betone: Das Buch ist spannend. Reicht dies für ein gutes Buch aus? Die beschriebene Brutalität empfinde ich oft als unnötig, ebenso die Menge an erotischen Szenen, die für die Handlung meist überflüssig sind. Wie oft und durch wen Saga Bauer geleckt wird, interessiert mich schlichtweg nicht. Hinzu gibt es etliche logische Fehler. So wird von „er wurde regelrecht hingerichtet“ erzählt, taucht zum Ende der Geschichte nur mit einem Kopfverband versehen wieder auf.
Manchmal ist weniger mehr. Bücher dürfen sich Zeit lassen. Vielleicht würden sich dann die Fehler vermeiden lassen? Vielleicht gibt es auch die Arroganz, dass dem Leser diese nicht auffallen.
Trotz allem liest sich das Buch in einem Rutsch weg. Da ich die Reihe um Joona Lina seit dem ersten Band lese, werde ich vermutlich den nächsten Band ebenfalls lesen.
Dirk Gieselmann: Der Inselmann
Klappentext:
Eine vergessene Insel, ihr stiller König und die Sehnsucht nach einem Leben abseits der Welt. »Der Inselmann« ist das ebenso berührende wie sprachmächtige Porträt eines Außenseiters und eine Hymne auf den Eigensinn. Anfang der Sechziger in einem entlegenen Teil Deutschlands. Das Ehepaar Roleder zieht auf eine unbewohnte Insel inmitten eines großen Sees. Es ist eine Flucht nach innen, vor der Stadt und der Wirklichkeit. Mit dabei ist ihr Sohn Hans, der auf der Insel ein neues Zuhause findet. Und noch so viel mehr. Denn mit der Zeit scheint der schüchterne Junge geradezu mit der Insel, den Bäumen, dem Laub, dem Moos und dem Gestein zu verwachsen. Hans wird zum König der Insel. Bis, mit dem Bescheid der Schulbehörde, die Realität in seine kleine große Traumwelt einbricht und ihn von Insel und Eltern trennt. Es ist der Beginn einer beschwerlichen Odyssee, gelenkt zunächst von gnadenlosen Institutionen des Staates und schließlich dem einen großen, pochenden Wunsch: zurückzukehren auf seine Insel, in die ersehnte Einsamkeit im Schatten der Welt. Doch: Wie wird die Insel, wie werden die Eltern ihn empfangen?
Dirk Gieselmanns Debüt ist die faszinierende literarische Studie eines Insellebens und erzählt von der Sehnsucht nach Einsamkeit in einer Gesellschaft, die das Individuum niemals alleine lässt, im Guten wie im Schlechten. »Der Inselmann« ist ein Roman, der nachhallt, voller berückender Bilder, leuchtender Sätze und magischer Kulissen.
Die Kurzbeschreibung beschreibt im Grunde den Inhalt des Buches. Die Eltern von Hans ziehen in den 60er Jahren aus der kleinen Wohnung in der Stadt auf die Insel. Hier findet er sein Reich und die Einsamkeit. Hans hält die Insel aus und die Insel ihn. Warum der Umzug erfolgte, warum die Eltern lieblos und sprachlos mit ihm umgehen wird nicht beschrieben oder erklärt. Als er zur Schule muss, verändert sich sein Leben. Täglich rudert er dorthin, schwänzt und wird bis zum 18. Lebensjahr in einer Erziehungsanstalt untergebracht. Kaum entlassen, will er nur noch zurück auf die Insel, doch sein Vater verwehrt ihm den Zutritt.
Er verdingt sich über die Jahre als Handlanger, um dann endlich wieder auf die Insel zurückkehren zu können, auf der er mindestens bis zum Alter von 70 Jahren lebt.
Reicht dies, um ein Buch zu füllen? Oh ja. Die Geschichte über den Rückzug aus der Gesellschaft und über ein weltabgewandtes Leben fasziniert. Hierzu benötigt es keine lange Geschichte. Die Bildhafte Sprache führte dazu, dass ich immer tiefer eintauchte, spürte, innehielt und hoffte, von nichts und niemanden gestört zu werden. Die Sprachgewalt hat mich umgehauen und ließ mich geistig äußerst befriedigt und gesättigt zurück.
Ich werde es gleich erneut lesen.
Sarah
Sarah saß auf der Bettkante und betrachtete das Gesicht ihres Gegenübers im Kissen. Das Gesicht von Lille. Den blonden Flaum über ihrem Mund, die lange Nase. Im Schlaf wirkte sie harmlos. „Wie konnte ich bloß auf diese Hackfresse reinfallen?“ dachte sie, während sie die Wärme der Lichter des über 2,50m großen Weihnachtsbaums im Rücken spürte. Mit Millionen auf dem Privatkonto bestand Lille, der Kosename für Alice, auf den Trend zur Zweittanne. Zählte man den kleineren Baum im Kinderzimmer der zwei Jungen mit, so beherbergte ihr Haus insgesamt drei Nordmanntannen. Drei, die Lille in wenigen Stunden allein genießen konnte.
Als Sarah nichts mehr über „Kopftuchmädchen“ „alimentierte Messerstecher“ „Festung Europa“ und anderen Nazisch… hören konnte, ritt sie irgendwann der Teufel und sie nahm ein paar größere Umbuchungen von Schweizer Firmenkonten auf Konten in Deutschland – vorrangig in Baden-Württemberg – vor. Dazu benötigte sie nicht einmal Hackerkenntnisse. Arroganz, gepaart mit Dummheit, und einfache Passwörter erleichterten ihr das Eindringen in die Onlinekonten. Nachdem die Buchungen in Deutschland öffentlich wurden, war das Geschrei groß und Sarah erwartete hohe Strafzahlungen für das Dreckspack. Wer Spendenbetrug betreibt, sollte sich nicht erwischen lassen oder zumindest nicht schweigen. So dachte Sarah nun. Es war immer noch besser Bußgeld zu zahlen, als die Gelder in einen Wahlkampf zu stecken oder in eine geplante TV-Station. Welch eine Horrorvorstellung Lille rund um die Uhr sehen zu können. Oder zu müssen.
Es geschah bereits im Herbst, dass Sarah für ihre Jungs an Nikolaus den Knecht Ruprecht buchte. DEN Knecht Ruprecht. Als sie die Fotokartei der Modellagentur durchforstete, blieb ihr Blick nicht nur einmal an ihm hängen. Als Unterwäschemodell sehr gut ausgebucht, erlebte er im Dezember regelmäßig eine Auftragsflaute, die er mit Einsätzen als Knecht Ruprecht überbrückte. Mal mit dicker Rute ausgestattet, mal mit Nikolaus im Anhang, mal mit dem Stock oder der Gerte, mal im roten Kostüm, mal nur im roten Stringtanga. Immer den Wünschen des Kunden, der Kundinnen und ihrer Kinder gerecht werdend.
Am 6. Dezember klopfte er pünktlich um 18 Uhr an. Die Jungs waren begeistert von ihm. Obwohl ihnen die Unterschiede zwischen Nikolaus und dem Knecht Ruprecht bekannt waren, genossen sie seine dominante Show, während in der Ecke der Holzofen bollerte. Die Temperatur stieg und stieg im Haus. Dem Knecht Ruprecht wurde es offensichtlich zu warm. Viel zu warm. Daher zog er oben blank. Der mit Schweißtropfen durchtrainierte Oberkörper beeindruckte die Jungen sehr. Fasziniert lauschten sie seinen Erklärungen, wie man sich mit einer halben Stunde Training solch einen gestählten Körper antrainieren konnte. Knecht Ruprecht untertrieb und log ein bisschen. Kinder sollte man nicht demotivieren und früh genug würden sie, falls sie ernsthaft interessiert wären, seine Notlüge verstehen. Unter zwei Stunden täglich würden sie nicht davonkommen können. Nicht nur die Jungen staunten. Sarah war sprachlos: Dieser Körper. Diese Stimme. Diese Eloquenz.
Um einen langen Abend, eine lange Nacht, kurz zu machen: Während Lille in Berlin weilte, die Jungs im Bett schliefen, weihten sie und Knecht Ruprecht das Rehfell vor dem Holzofen ein.
Dabei blieb es nicht. Bereits am nächsten Tag besprachen sie ihren Auszug und den Einzug bei ihm.
In den folgenden Tagen trafen sie sich täglich. Knecht Ruprecht, der Alexander hieß und heißt, und Sarah mit ihren zwei Jungs, die ihn ebenfalls sofort in ihr großes Herz geschlossen hatten.
Die heimlichen Treffen gaben ihr so viel Energie, dass binnen 24 Stunden die Idee zu ihrem Film: „In bed with Tino and Björn“ entstand. Sie war fest davon überzeugt als Produzentin einen Kinoerfolg zu schaffen.
Es geschah an Heiligabend, als Sarah beschloss das Haus an diesem Tag endgültig, erst nach einem Abstecher an ihren ehemaligen Schreibtisch,zu verlassen. Sie loggte sich in alle ihr bekannten Schweizer Onlinekonten ein und begann ein paar (eine herrliche Untertreibung) größere Echtzeitüberweisungen von fremden Firmenkonten zu tätigen. Wie definiert man groß? Groß ist groß. So groß, dass sich viele Konten der UNHCR weltweit über die hohen Geldeingänge freuten.
Inspiriert durch: Broilers: „Alice und Sarah“
Foto: pixabay.com Alexas_Fotos







