Katja Oswald: Die vorletzte Frau

Klappentext:
Die Geschichte einer großen Liebe und ihrer Verwandlung
Sie lernt ihn kennen, als sie noch jung ist und er beinahe schon alt. Er, der berühmte Schriftsteller. Sie, die mit dem Schreiben gerade anfängt und Mutter einer kleinen Tochter ist. Sie wird seine Schülerin, seine Geliebte, seine Vertraute, und beide schwören, sich einander zuzumuten „mit allen Meisen und Absonderlichkeiten“. Eine Beziehung voller Lust und Hingabe und Heiterkeit.  
Dann aber, als die Tochter mitten in der Pubertät steckt, erhält er eine Diagnose, die alles ändert. Die Beziehung wird zum Ausnahmezustand und sie von der Geliebten zur Pflegerin. Sie will helfen, sie hilft, doch etwas schwindet, ihr Lebensmensch entfernt sich, die Zeit der Abschiede beginnt. Und noch etwas: ein neues Leben. 
Katja Oskamp erzählt zärtlich und rückhaltlos von den Verwandlungen, die das Dasein bereithält, von brüchigen Lebensläufen, von den Rollen einer Frau und den Körpern in ihrer ganzen Herrlichkeit und Hässlichkeit.  
Vor allem aber erzählt sie die Geschichte einer großen Liebe.

Gleich von der ersten Zeile fühlte ich mich in die Geschichte hineingezogen. Die autobiographische Erzählung kommt in kurzen Geschichten daher, die nicht immer chronologisch erzählt werden.
Die Ich-Erzählerin, eine 30-jährige Frau mit Tochter und Putzwahn, verheiratet mit einem älteren Mann, dem GMD (Generalmusikdirektor), lernt den 19 Jahre älteren Schriftsteller Tosch kennen, der mit einer Schauspielerin ohne Rollen verheiratet ist.
Beide trennen sich von ihren Partnern und werden für 19 Jahre ein Paar. In getrennten Wohnungen lebend, aber ihren Weg gemeinsam gehend.
Seine Bedürfnisse bestimmen die Beziehung. Sie nimmt an seinem Leben teil, er an ihrem weniger.
Um diesen Abschnitt des Lebens der Ich-Erzählerin geht es in „Die vorletzte Frau“.
Das Buch ist in fünf Abschnitte unterteilt, diese in kleine Kapitel, die sehr kurz sind und selten mehr als zwei Seiten umfassen. Dadurch wirken sie auf mich wie Tagebucheinträge.

Zu Beginn fiel es mir dadurch schwer einen Leserhythmus zu finden. Irgendwann gelang es, um ihn ab der Mitte des Buches komplett zu verlieren. Dadurch musste ich mich, trotz des an sich interessanten Inhalts zwingen das Buch bis zum Schluss zu lesen. Das empfand ich als sehr, sehr schade.
Ungefähr ab der Mitte des Buches wird über Toschs Erkrankung geschrieben. Detailliert und mit vielen intimen Informationen. Hätte weniger mehr sein können? Vermutlich ja.

Mit: „Geworfenheit. Erst regiert der Krebs, dann das Finanzamt,“ welches das Ende der Beziehung ankündigte geht es weiter.
Während die Tochter einen Auslandsaufenthalt absolviert, Tosch als Schriftsteller wieder aufersteht, macht die Ich-Erzählerin eine Ausbildung zur Fußpflegerin. Eine Autorin ohne Veröffentlichung muss schließlich von etwas leben.
Mit ihrem späteren Erfolg kommt er nicht zurecht.
Das Buch ist nicht nur die Geschichte über eine Liebe. Es geht auch um Alter, Krankheit, sich verändernde Körper, Sexualität, Mutter sein, Geliebte sein, Partnerin sein uvm. Das alles in einer knackigen Sprache. Kurz, ohne Schnörkel, mit Humor und häufig auf den Punkt gebracht.

Mich störten die sehr, sehr kurzen Kapitel. Ich mag es nicht, wenn ich mich, unabhängig vom Inhalt, durch ein Buch quälen muss.

Kuhl + Sandrock: Das Dickicht

Klappentext:
Ein smartes Ermittlerduo, auf das die Krimiwelt gewartet hat, und ein Twist, bei dem sich die Nackenhaare aufstellen …
Ein Must-have für alle, die richtig gute Spannung lieben.
Juha Korhonen und sein Kollege Lucas «Lux» Adisa vom LKA Hamburg werden zu einem Entführungsfall hinzugezogen. Schnell merkt Juha, dass der Fall frappierende Parallelen zu einem fast zwei Jahrzehnte zurückliegenden Verbrechen aufweist, einem seiner ersten Einsätze beim LKA, der ihn bis heute nicht loslässt. Damals wurde der vierzehnjährige Daniel Boysen in einer Kiste im Wald vergraben und konnte nur noch tot geborgen werden. Der Täter beging Suizid.
Bei den Ermittlungen entdeckt Lux Unstimmigkeiten in der Akte Boysen. Warum hat der damalige Kommissar nach Abschluss des Falles weiterermittelt, bevor er kurz darauf starb? Juha und Lux folgen seinen Hinweisen immer tiefer ins Dickicht der Vergangenheit. Hat man sich seinerzeit vorschnell mit der falschen Lösung zufriedengegeben? Stück für Stück offenbart sich eine Tragödie, in der Opfer zu Tätern wurden und umgekehrt – und die ihren Schatten bis in die Gegenwart wirft …
 

Juha Korhonen vom LKA ermittelt mit seinem Kollegen Lucas Adisa (Lux) in einem Entführungsfall, der auffällige Parallelen zu einem Cold Case aufweist.
Vor nicht ganz zwanzig Jahren, ganz zu Beginn seiner Tätigkeit beim LKA fand er mit seinem Vorgesetzten Werner Swoboda ein vierzehnjähriges Mordopfer. Daniel Boysen. Erstickt in einer vergrabenen Holzkiste im Wald.
Nach dem Suizid des angeblichen Täters galt der Fall als abgeschlossen.
Die aktuelle Entführung klärt sich schnell auf. Es stellt sich heraus, dass der damalige Kommissar Swoboda vor seinem Tod privat weiter in dem Fall Boysen ermittelte. Mit diesen Hinweisen eröffnen Korhonen und Lux den Cold Case. Weiterlesen

Tana French: Feuerjagd

 

Klappentext:
Zwei Männer kommen nach Ardnakelty. Einer kommt nach Hause. Einer kommt, um zu sterben. Und ein junges Mädchen steht zwischen allen Fronten.
Ein ungewöhnlich heißer Sommer hat Irland im Griff. Die Farmer sind nervös, die Ernten bedroht. Die 15-jährige Trey hat an das kleine Dorf schon ihren Bruder verloren. Etwas Sicherheit bietet der Außenseiterin nur der ehemalige Polizist Cal, der sie liebt wie eine Tochter. Da kommt nach Jahren der Abwesenheit unerwartet Treys Vater zurück. Mit offenen Armen empfängt ihn niemand, doch er bringt einen verheißungsvollen, gefährlichen Plan mit. Und einen Fremden. Cal versucht, Trey zu schützen, aber Trey will keinen Schutz. Sie will Rache.

»Herausragend. Welch ein Glück für uns Leser!« Stephen King
»Einzigartig stimmungsvoll … außergewöhnlich … wer immer noch glaubt, French müsse sich an die Regeln halten, hat ihre bemerkenswerten Romane nicht verdient.« Washington Post
»Tana Frenchs Dialoge gehören zu den besten der Branche. Sie zeigt das banale Böse hinter dem lächelnden Gesicht des Dorfes und erinnert uns daran, dass wir solche Orte auf eigene Gefahr unterschätzen.« New York Times
»Vielschichtig erzählt, eindringlich und atmosphärisch … Die Figuren werden so lebendig, dass ich mich noch lange nach der Lektüre frage, wie es ihnen geht – ein Beweis für die Meisterschaft der Autorin.« Guardian
»Vielleicht Tana Frenchs bester Roman bisher. Spannend und intelligent erkundet die Autorin Fragen von Loyalität, Instinkt und Gemeinschaft. Meisterhaft legt sie Geheimnisse frei, die wir aus Liebe oder Rache bewahren, und erforscht, wie weit wir gehen, um unsere Familie zu schützen, sei sie blutsverwandt oder gewählt.« CrimeReads
»Eine fesselnde Geschichte von Vergeltung, Aufopferung und Familie – von der Königin der irischen
Spannungsliteratur.« TIME

 Schwer beeindruckt fällt es mr schwer meine Begeisterung in Worte zu fassen.

Der Vorgänger, „Der Sucher“, war bereits ein grandioses Buch. Bewusst spreche ich von Buch und nicht Krimi, da es für mich kein klassischer Krimi war. Ein Roman, der mich in vielen Bereichen an einen Western erinnerte. Nie hätte ich damit gerechnet, dass Tana French einen zweiten Band, ebenfalls grandios, schreiben würde.
Während eines heißen Sommers kommt Treys Vater zurück ins Dorf. Er bringt einen reichen Engländer mit, der in dem Ort nach Gold suchen möchte.
Dies beschreibt oberflächlich die Handlung, die ein Buch von 528 Seiten füllt. Spannend füllt.
Die Spannung wird nicht durch Aneinanderreihung von blutigen Morden erzeugt.
Im Gegenteil. Die Beschreibung von Familie, Natur und Bewohnern und der Dynamik im Dorf ließen mich jede Seite schnell umblättern.

Der amerikanische Ex-Polizist Cal ist inzwischen im Dorf angekommen und liebt Trey wie eine eigene Tochter. Trey hat sich in den zwei Jahren entwickelt, vergisst und verzeiht dem Dorf die Schuld an dem Tod ihres Bruders Brendan nicht. Rache verzehrt sie.
Mir fiel es sehr schwer das atmosphärisch dichte Buch aus der Hand zu legen. Ich hätte stundenlang die facettenreiche Beschreibung der Dorfbewohner, der Natur weiterlesen können. Oder weitere Dialoge, die sehr gutgeschrieben sind, lesen mögen. Die Figuren sind dermaßen lebendig, dass es schwer fällt mit ihnen keine eigenen Dialoge mit ihnen zu führen.

 

„Read what I see“: Der Anblick von viel Frau aus der Sicht von Leo

Leo ist ein kleiner blonder Junge im Alter von 3 Jahren. Ein kleiner Charmebolzen, der mich immer an eine Astrid Lindgren Figur erinnert, die noch nicht geschrieben wurde.
Ohne seine Polizeimütze auf dem Kopf habe ich ihn kaum gesehen, kaum mit schlechter Laune erlebt. Wenn ihm etwas auf dem Herzen liegt, dann stellt er Fragen. Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann sagt er es. Wenn er vor mir steht, ausführlich und sehr ausdrücklich erzählt, dass er Polizist werden möchte, dann glaube ich es ihm auf ’s Wort. Wobei ich die leichte Vermutung habe, dass vielleicht auch der Beruf des Feuerwehrmannes ins Spiel kommen könnte.
Leo hat mir gegenüber keinerlei Hemmungen mich Löcher in den Bauch zu fragen. Der folgende Auszug gibt einen Überblick darüber, wie groß diese Löcher sein können.
Als ich das erste Mal bei seiner Familie war, wurde ich erst einmal in Augenschein genommen. Dann sah ich, wie es in seinem Kopf arbeitete und schon stellte er mir, sehr charmant, seine Fragen. Vollkommen aus dem Zusammenhang heraus:
Leo: „Frau Sabine, wann kommt Dein Baby?“
Sabine dreht sich um, verkneift sich das Lachen:
„Leo, das ist kein Baby, das ist mein dicker Bauch.“
Leo: „Nicht schlimm, mein Papa hat auch einen dicken Bauch.“

Leo: „Frau Sabine, wo sind Deine Kinder?“
„Leo, ich habe keine Kinder.“
Leo: „Keine Kinder. Gibt es nicht.“

Leo: „Und wo ist Dein Mann? Im Auto?“
„Ich habe keinen Mann.“
Leo ist irritiert. „Frau Sabine, aber wenigstens Hühner hast Du?“
„Nein, Leo, ich habe keine Hühner. Ich habe keinen Garten dafür.“
Leo: „Frau Sabine, keine Hühner? Egal, Du darfst trotzdem wiederkommen.“
Drehte sich um, knallte seine Hacken wie ein Soldat vor seinem Oberst zusammen und wackelte mit der viel zu großen Mütze auf dem Kopf von dannen.
Und hinterließ eine sehr amüsierte Sabine.

Beim nächsten Besuch war Leo inzwischen 4 Jahre alt. Die Polizeimütze ist immer noch viel zu groß und ich erstaune ihn wegen meiner Körperfülle immer noch?
Leo erzählte ganz stolz von seinem schwarzen Huhn. Dieses Mal war ich ein wenig vorgewarnt und es hätte mich eher enttäuscht, wenn ich mein Fett nicht abbekommen hätte. Schneller als ich denken konnte, ging sein Gedankenkarussell wieder los.
Leo:“ Mein Huhn Valentina ist bald so dick wie Du Frau Sabine.“
„Leo, man sagt den Menschen aber nicht ins Gesicht, dass sie dick sind. Dann sind die traurig.“
Leo: „Aber Frau Sabine, ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der einen so großen Bauch und Popo hat wie Du.“
„Leo, das solltest Du mir so nicht sagen. Ich lache darüber, aber es gibt Menschen, die sind dann traurig, wenn man ihnen sagt, dass sie dick sind.“
Leo: „Aber Frau Sabine, Du bist doch dick!“
„Leo, ich habe eine Freundin, die hat noch einen dickeren Popo als ich. Die wäre ganz traurig, wenn Du ihr sagst, dass sie dick ist“
Leo: „Einen größeren Popo als Du Frau Sabine? DAS gibt es wirklich nicht. Aber Du hast nicht einen so großen Busen wie meine Oma. Der ist nämlich riesig.“
Damit schien das Thema vorerst erledigt.

Er hörte Musik, malte, und erklärt, dass er das Kinderzimmer neben dem Bad bekommen hat, da er nachts manchmal ganz schnell auf die Toilette muss. Mit dem nun kurzen Weg passiert ihm nicht so schnell ein Malheur.
„Leo, das kann doch mal passieren. Der Sohn von meinem Bruder hat im Kindergarten manchmal in die Hose gemacht. Dann haben ihn die anderen Kinder Hosenscheißer genannt.“
Leo: „Frau Sabine, das ist aber ganz, ganz gemein!“
„Ja Leo und wenn Du zu Menschen sagst, dass sie dick sind, ist das auch gemein.“
„Oh Frau Sabine, ja das ist richtig gemein.“ Und schüttelt seinen blonden Lausbubenkopf dazu…..
Dreht sich um und hat etwas gelernt?
Auf die Fortsetzung unseres nächsten Dialoges bin ich sehr gespannt.
Zum Abschied bekam ich ein selbst gemaltes Bild von ihm. Für ihn stelle ich irgendwie ein Phänomen dar. Er kennt Frauen mit dickem Bauch nur, wenn sie schwanger sind. Eine Frau ohne Mann ist für ihn ebenfalls unbekannt. Nun repräsentiere ich einige Bereiche, die ihm unbekannt sind: Dick, kein Mann und man beachte: Keine Hühner.
Um ehrlich zu sein: Seine offenen Fragestellungen ohne dabei Hemmungen zu haben, seine Verwunderungen anzusprechen, amüsieren mich. Mir machen sie Spaß. Nein, sie verletzen mich nicht und erinnern mich daran, wie meine Außenwirkung sein kann. Ja, viel Frau wird von den Menschen sicherlich verschieden wahrgenommen. Und von vielen Männern gemocht.

 

 

Foto:privat

John Ajvide Lindqvist: Refugium

Klappentext:
Der Auftakt der spektakulären neuen Spannungstrilogie aus Skandinavien.»Einfach großartig, wie John Ajvide Lindqvist mit seinem glitzernden Monstertruck in die Krimilandschaft donnert.« Aftonbladet
Ein explosives Ermittler-Duo. Sie: Expolizistin und Krimiautorin im Karrieretief. Er: ein Hacker mit gequälter Seele. Sie ziehen einander an. Sie stoßen einander ab, aber sie müssen einander vertrauen.
Ursprünglich sollte Kim Ribbing, der die Spuren eines tiefen Traumas in sich trägt, die ehemalige Polizistin Julia Malmros bei Recherchen unterstützen. Doch dann erschüttert ein Verbrechen das sommerliche Leben in den Schären.
Mittsommer. Der längste Tag. Die dunkelste Nacht.
Nicht weit von Julias Ferienhaus werden die Gäste eines Mitsommerfests grausam hingerichtet. Nur Astrid Helander, der Tochter der Familie, gelingt es, sich zu retten. Aber das junge Mädchen ist verstummt. Für Julia ist die Zeit gekommen, zu handeln.
Mit Gespür für dichte Atmosphäre und die psychologischen Feinheiten seiner Figuren schreibt John Ajvide Lindqvist einen vielschichtigen Thriller, der unter die Haut geht.
Während Kim sich auf die Spur der Täter setzt und ihnen im World Wide Web und rund um den Globus folgt, nutzt Julia ihre Kontakte zur Kriminalpolizei. Ausgerechnet ihr Exmann Johnny ist mit den Ermittlungen betraut. Wer steht hinter den Auftragskillern? Und was hat Kim Ribbing zu verbergen, der immer wieder im Alleingang arbeitet.
Für alle Fans der Millenium-Reihe und Leser:innen von skandinavischer Spannung.

Die dem Buch beigefügte Leseprobe war für mich nicht nötig, um meine Gier auf Band 2 anzustacheln.
Die Handlung ist „schnell“ erzählt: Eine Autorin, Julia Malmros, benötigt Unterstützung für Recherchen. Sie soll eine Fortsetzung der „Millenium“ Reihe schreiben. Kim Ribbing klärt sie über die Hackerwelt auf.
Während sich beide später in Julias Ferienhaus aufhalten, werden während der Feierlichkeiten zur Mittsommernacht ihre Nachbarn ermordet. Die 14-jährige Tochter überlebt. Die Ermittlungen führt Julias Ex-Mann Johnny.
So weit so gut.
Reicht diese Rahmenhandlung wirklich aus, um einen Thriller mit 528 Seiten zu füllen? Spannend zu füllen? Mich der Fortsetzung entgegen fiebern zu lassen?Und wie!
Der Thriller lebt natürlich von seinem Plot, der einige Wendungen nimmt. Genauso lebt er von seinen Charakteren. Zum einen gibt es die Autorin Julia, die ein Ersatzbuch schreiben muss, zum anderen den reichen, traumatisierte Hacker Kim Ribbing, dessen Geschichte stückchenweise in dem Buch entblättert wird. Doch beileibe nicht komplett. Seine Alleingänge führen letztendlich zur Lösung des Falls, doch wie gesagt, ist das nur ein Aspekt der Handlung.
Die Charaktere werden ausführlich beschrieben, sie haben Ecken und Kanten, Geheimnisse und sind einfach lebendig.
Mir trinken einige zu viel. Lassen sich Handlungen nicht beschreiben, ohne dass ständig eine Flasche Wein gekippt wird?
Mit „Refugium“ wurde ein fulminanter Start hingelegt, dessen Fortsetzungen vermutlich ein jeder Leser sehnsüchtig erwartet. Sei es, um die Geheimnisse und Vergangenheit um Kim Ribbing zu erfahren? Kann er sich weiterentwickeln, um zu leben?
Immer wieder wird auf die Millenium Reihe“ verwiesen. Beginnend mit dem Klappentext und später im Buch, da Julia Malmros eine Fortsetzung der Reihe schreiben soll. Nein, es ist mit der Millenium Reihe nicht vergleichbar. Qualitativ nicht vergleichbar. Der hier erwähnte Hacker verfügt über ein Trauma, die Autorin hängt zeitlich zwischen zwei Büchern fest.

Dieser Vergleich ist zu gewollt.

Zwischendurch musste ich beim Lesen darüber schmunzeln, nach Beendigung des Buches bin ich der Meinung, dass diese ständige Anspielung überflüssig ist. Die Handlung hätte gut für sich alleine stehen können, ohne sich an Millenium Charaktere anzubiedern.

„Read what I see”: Die REHA Whistleblowerin

Wenn einer eine Reise macht, so hat er viel zu erzählen?
So – oder so ähnlich – wurde es zu analogen Zeiten behauptet.

Kann man dies außerhalb von analogen Zeiten übertragen? In den REHA-Bereich? Nein, nein, es geht hier nicht um erotische Beschreibungen der Kurschatten. Sich finden, heimlich mit dem Piccolo unter dem Arm in die kleinen Einzelzimmer der Angebeteten, die damals vermutlich der heutigen Größe eines Doppelzimmers entsprechen, zu verschwinden und sich mit noch intakten Hüften miteinander vergnügen – davon sind wir hier weit entfernt.
Ja, ich schreibe von wir. Wobei doch nur ich schreibe: Die „REHA-Whistleblowerin“.

Der ungeschönte Blick hinter die Kulissen. Von modernisierten Speisesälen, deren maximaler Aufenthalt dort nicht einmal einer Halbzeit einer Fußballmannschaft vom Dorf entspricht. Den dort eingesetzten Thermoskannen mit Tee, die Erinnerungen an Schulausflüge in Jugendherbergen der 80er Jahre und früher wecken. Von Wandfliesen im Schwimmbad, die mit Gaffatape fixiert sind und kritisch beäugt werden.

Vom nichtexistierenden Freizeitangebot, was die momentan wenig mobilen Menschen aggressiv macht. Von Teilnehmern der Gesundheitswoche, die auch mit „Gervais Pampe“ als Quarkspeise zum Dessert abgespeist werden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Von Behandlungen, Nichtbehandlungen, von Liegewiesen, die man nur mit gesunden Knochen nutzen kann und von viel Frust. Viel Frust in der Luft.

Von schwarzem Humor als Überlebensstrategie, weil man hofft: „Aber morgen wird es besser. Ganz bestimmt.“ Weiterlesen

„Read what I see“: Brief an eine Freundin aus der Eisdiele in H.

Liebste Freundin,

ich sitze in der Eisdiele in H., in der wir uns bereits mehrmals zum Frühstücken getroffen haben. Ja, genau die, in der eine Mitarbeiterin solch eine komische Quietsche Stimme hat. Die Sonne scheint, also packte ich mein Notizbuch ein, um dort einen Cappuccino zu trinken. Natürlich in der Erwartung, dass es dort etwas zu beobachten gibt und sich die Seiten meines Notizbuchs füllen werden.

Wie es ausschaut, wird meine Erwartung erfüllt. Noch wurde der Cappuccino nicht serviert und ich muss mir das Lachen verkneifen. Oder einen überraschten Blick? Ich sitze im Thekenbereich auf der letzten Bank. So habe ich alles im Blick, wie – wer kommt, wer geht – bekomme die Eisbestellungen der Schulkinder mit und höre das Meckern der Kellnerin, die draußen Getränke servieren möchte, ihr jedoch niemand der eintretenden Gäste die Tür öffnet. So muss sie erst ihre Tabletts abstellen, die Tür öffnen, die Tabletts erneut in die Hand nehmen und schwupps knallt ihr ein neuer Gast wieder die Tür vor der Nase zu.

Was verursacht mir ein Lachen? Am Tisch gegenüber sehe ich eine alte Frau. Ihr Hut ist mit einer großen Nadel auf ihren perfekt sitzenden Haaren, oder Perücke, befestigt. Ihr Gesicht ist von vielen Falten und Pigmentflecken durchzogen. Kerzengerade sitzt sie auf ihrem Stuhl, schaut durch ihre beschlagene Brille auf ihren Eisbecher und löffelt genüsslich mit sehr langsamen Armbewegungen einen Löffel Eis nach den anderen und qualmt. Aus den Ohren. Ja, sie qualmt aus den Ohren!
Ich nippe an meinem Cappuccino, den ich inzwischen bekommen habe, nehme meine Brille ab und schaue erneut zu der Frau hinüber. Meine Brille ist nicht beschlagen, ich sehe richtig. Aus ihren Ohren steigt Qualm auf.
Um ehrlich zu sein, zweifele ich ein wenig an meinem Verstand. Im Kopf überschlage ich meine Medikamenteneinnahme. Nein, in keinem Beipackzettel sind Halluzinationen als Nebenwirkungen aufgeführt.
Diszipliniert vermeide ich es sie anzustarren. Erneut hebt sie mit einer langsamen Bewegung den Löffel mit Eis, und etwas Rotem darauf, zum Mund. Ein klein wenig wendet sie dabei ihren Kopf und plötzlich gibt es keine Nebelschwaden mehr aus ihrem Ohr.

Sie isst einen Eisbecher, den ich nur noch aus den 80er Jahren, vielleicht noch aus den 90er Jahren kenne, doch nicht mehr in der Gegenwart: Vanilleeis mit heißen Himbeeren. Wie früher werden sie in einer Sauciere serviert. Diese Himbeeren müssen sehr heiß sein, da noch immer Dampf aus ihnen hervorsteigt. Je nachdem, wie die alte Dame ihren Kopf hält, wirkt es, als würde der aufsteigende Dampf aus ihren Ohren strömen.
Puh, diese schnelle Auflösung verhindert, dass ich heute eventuell verrückt werde.

Matthew Blake: Anna O.

 

Klappentext:
Seit vier Jahren hat Anna Ogilvy ihre Augen nicht mehr geöffnet. Nicht seit jener Nacht auf der Farm, wo man sie im Tiefschlaf gefunden hat, ein Küchenmesser in der Hand, die Kleidung blutverschmiert. Neben den Leichen ihrer beiden besten Freunde. Die einen halten Anna O. für unschuldig, die anderen für eine kaltblütige Mörderin. Aber nichts und niemand hat sie aus ihrem Albtraum wecken können. Bis jetzt.

Dr Benedict Prince ist Psychologe und Experte für Verbrechen, die im Schlaf begangen werden. Bei Nacht und Nebel wird er in die Schlafklinik The Abbey gerufen. Dort hat man die berühmteste Verdächtige des Landes eingeliefert: Anna Ogilvy, 29. Das ganze Land spekuliert: Hat Anna die Tat wirklich begangen? Hat sie dabei geschlafwandelt? Wie steht es dann um ihre Schuld? Und warum ist sie seitdem nicht mehr aufgewacht?
Ben hat eine gewagte Theorie, wie er Anna wecken könnte. Doch Ben wird beobachtet. Vom Justizministerium. Von seiner Ex-Frau, die als Kommissarin damals als Erste am Tatort war. Von Annas Mutter, früher eine einflussreiche Ministerin. Von einer Bloggerin, die Annas geheime Aufzeichnungen besitzt. Und vielleicht auch von dem mysteriösen Patienten X, dem Anna auf der Spur war. Ben bleibt nicht viel Zeit. Und er ahnt nicht, in welcher Gefahr er schwebt.
Der raffinierte Thriller um Schlaf, Psychologie, Schuld und Rache. 
Ein Spannungs-Roman, der Leser in aller Welt mit seinen faszinierenden Rätseln wachhält.

Anna O. ist die Person, die polarisiert. Erfolgreich mit einem StartUp, soll sie ihre Freunde im Schlaf ermordet haben. Einem Schlaf, aus dem sie seit vier Jahren nicht mehr aufwacht. Die einen halten sie für schuldig, die anderen für unschuldig.
Aus der Haftanstalt wird sie in die Schlafklinik The Abbey eingeliefert, wo sie von dem bekannten Psychologen Benedict Prince unter äußerster Geheimhaltung behandelt werden soll. Unter der Beobachtung des Justizministeriums und der Polizei (seiner Ex-Frau). Unterstützt wird er in der Pflege von der Krankenschwester, die Anna O. bereits während der Haft pflegte.
Während Dr. Prince seine Behandlung mit dem Ziel Anna O. aufzuwecken beginnt, was zur Folge hätte, dass sie vor Gericht gestellt werden kann, überkommen ihm Zweifel. Ist das moralisch korrekt?

Das Buch wird aus mehreren Perspektiven erzählt. Nüchtern aus der Sicht des Wissenschaftlers Dr. Ben Prince, aus der Sicht von Anna O., dem Tagebuch, Patient x und anderen. In Rückblenden wird auf eine Frau eingegangen, die während des Schlafwandelns ihre Stiefkinder ermordete. Wo gibt es Zusammenhänge?
Wer ist Patient X?
Auf den ersten Blick liest sich das Buch spannend. Der Plot ist gut angedacht und scheint aus dem Wust an Veröffentlichungen herauszuragen, so dass man denkt: „Wie, nur in 30 Länder verkauft? Welches Land könnte diesem Thriller widerstehen?“
Leider ist dem nicht so. Häufig wirkt es wie gewollt spannend, gar mystisch, was auch an den Wiederholungen liegt und den flach gezeichneten Figuren: Irgendwie wurde ich mit ihnen nicht warm.

Der Wechsel der Perspektiven könnte zur Spannung beitragen. Wie zuvor erwähnt, wiederholt sich dadurch vieles und das Buch wird langatmig, obwohl man eigentlich nur schnell eine Seite nach der anderen rasch umschlagen möchte. Um dann zu erkennen: Ach, das gab es bereits.

Die Auflösung kann überraschend wirken, mir war sie leider schon recht früh klar.

Dem Buch hätten weniger Seiten und weniger Überladung an eingebrachten Themen deutlich gutgetan. 480 Seiten sind einige zu viel.

Mich konnte das Buch nicht ganz packen, aber ich kann gut nachvollziehen, warum andere von einem Pageturner sprechen. Die Erzählperspektive, die Einbindung von Patient X, die sich langsam aufbauende Gefahr um Dr. Prince…. Mich störte das verwendete Handwerkszeug. Als regelmäßige Thrillerleserin bin ich halt anspruchsvoll.

 

Leseprobe: https://www.book2look.com/book/9783104918006

Der 9. Mai im Jahr 2024 – zum vierten Mal ohne Dich

Das war der 9. Mai im : Jahr 2021

  1. Mai

Kein runder Geburtstag für Dich.
Kein Muttertag für Dich.
Viele Grüße nach …
ja wohin?
Einem Ort, an dem es Dir besser geht?
Einem Ort, an dem Dich nichts mehr an vor dem 9. Juli erinnert?

Du fehlst.
Auf Deine Dir spezielle Art und Weise.

Deine Tochter

 

Der 9. Mai im Jahr darauf, im Jahr 2022:

Ein Tag nach Muttertag.
Ein Jahr nach Deinem 70. Geburtstag.
Seit einem Jahr und exakt 10 Monaten gibt es Dich nicht mehr, wie wir Dich kennen.
„Vermisst und nicht vergessen“ – diese viel zu häufig verwendete Plattitüde trifft es dennoch, so dass auch ich sie verwende.
Bei Erinnerungen lachend, fluchend und manchmal weinend.
Radiosender spielen viel zu viel Musik, die mit Erinnerungen an Dich verbunden sind. „Seasons in the sun“, „You´re the one that I want“, „Comptine d’un autre été““ und vieles mehr.
Gar ein Einkauf kann Erinnerungen bringen, die mit Tränen verbunden sind.

Und erneut Grüße, Liebe, Umarmungen nach… ja wohin?

Du fehlst.
Du fehlst weiter.

Deine Tochter

 

Der 9. Mai im vierten Jahr:

Es hat sich wenig geändert.
Worte können nur wiederholt werden.

Drei Jahre nach Deinem nicht mehr erlebten 70. Geburtstag.
Seit drei Jahren  und 10 Monaten gibt es Dich nicht mehr, wie wir Dich kennen.
„Vermisst und nicht vergessen“ – diese viel zu häufig verwendete Plattitüde trifft es dennoch, so dass auch ich sie verwende.
Bei Erinnerungen lachend, fluchend und manchmal weinend.
Radiosender spielen viel zu viel Musik, die mit Erinnerungen an Dich verbunden sind. „Seasons in the sun“, „You´re the one that I want“, „Comptine d’un autre été““ und vieles mehr.
Gar ein Einkauf kann Erinnerungen bringen, die mit Tränen verbunden sind. (Stichwort Pfefferfrischkäse)

Und erneut Grüße, Liebe, Umarmungen nach… ja wohin?

Du fehlst.
Du fehlst weiter.

Deine Tochter