Neuopel
Dat gibbet doch nicht. Kaum habe ich meinen Neuopel eingeparkt – nicht unbedingt in Bordsteinnähe, sondern mehr in Richtung Straßenmitte – höre ich die Tana von oben schon brüllen. „Kindchen, wie hasse den denn zusammen gekriegt? Mann, der erste Manta in unserer Straße. Watt ein schöner Anblick.“
Ach die Tana: Tagein, tagaus beobachtet sie das Leben um sie herum aus ihrem Fenster im zweiten Stock. Da stützt sie sich auf ihr Kopfkissen, hat immer den gleichen Hauskittel an und beobachtet alles, was sich in der Zechensiedlung so tut. Meist weiß sie schon vor dem Arzt, wer wieder an der Kohlelunge erkrankt. Sie kennt alle Platzierungen der Rammler, die in den kleinen Hintergärten gezüchtet werden und dass der Willi die Frau vom LKW-Gerd abends immer besucht, wusste sie weit vor dem Gerd. Schlag acht isse dann weg vom Fenster. Tagesschau gucken. Die Tana ist nämlich eine Schlaue. Letztens sachte sie mal was, dass es irgendwann einen Euro geben soll. Der wäre doppelt so viel wert wie die Mark? Oder umgekehrt?
„Susi, jetzt sach doch mal, wo hasse den denn her?“
„Tana, den habe ich mir hart erarbeitet und heute gekoft.“
Einen Vorteil muss es doch haben, wenn man mitten im Pott in der Nähe vom großen OPEL Bauer wohnt und als Friseuse beinahe an der Quelle sitzt.
Der Salon von der Uschi ist keine 300 Meter vom Werk entfernt und viele kommen vom Band direkt zu uns, um sich verschönern zu lassen. Die Uschi hat mein Talent sofort erkannt und mich schnell in den Herrenbereich versetzt. Seitdem ich die richtige Blondierung für mich gefunden habe, irgendwie immer vergesse, meine Bluse oben richtig zuzuknöpfen, kommen wir mit den Terminen gar nicht mehr nach. Das mit den Terminen haben wir schnell dran gegeben. Nun kommen sie halt und wollen meist von mir geschnitten und verschönert werden. Manchmal müssen sie echt lange warten. Bei dem vielen Kaffee den sie in der Zeit trinken, denke ich dass irgendwann die Pumpe bei einem von denen kaputt geht. Oder wollen die vom Stuhl kippen und dann von mir 1. Hilfe kriegen? Ich weiß doch gar nicht wie das geht. Aber ein Glas Wasser habe ich immer für sie bereit stehen. Man weiß ja nicht. Und keiner soll sagen, dass die Susi nur an sich denkt. Nee, ich passe auf die Malocher auf.
Die Freitage sind echt anstrengend. Da wollen die meisten eine neue Dauerwelle, um richtig gut auszusehen, wenn sie am Samstag inne Disco gehen. Was soll ich sagen? Was bei mir auf dem Kopf gut aussieht, sieht bei den Männern nicht so gut aus. Aber mit dem richtigen Opel unter´m Hintern und der richtigen Goldkette um den Hals ist der Samstagabend meist erfolgreich. Die Uschi kriegt dann meistens in der Woche danach die Geschichten in ihrer Frauenecke zu hören. Mal heulen die Weiber, weil sie am Sonntagmorgen schon nicht mehr aktuell sind. Nur ein paar lachen und erzählen, dass manche vergoldeten Kettchen wertvoller sind als dass, was die Opelfahrer da unten so zum Einsatz bringen.
Mir ist das ja egal. Ich habe keinen Freund. Die im Salon sind alle meine Freunde. Meinste denn, die würden wir noch Trinkgeld geben, wenn ich daheim einen Manni hätte. Nee, nee. Lieber packe ich denen meine Dauerwelle auch auf den Kopf oder schneide vorne die Haare kurz und lasse sie hinten schön lang. Wer am Freitag bei mir war, am Samstagabend sich in seinen Ballonseidenanzug schmeißt und erfolgreich bei den Weibern war, der kommt immer wieder zu mir.
Die Uschi muss ihr Sparschwein nur alle paar Wochen leeren, ich jeden Samstag.
Und alles habe ich zur Bank gebracht. Watt habe ich davon? Meinen gebrauchten Manta. Keiner inne Siedlung hat so einen schönen Manta wie ich. 5.000 Mark habe ich dafür bezahlt. Das ist er aber auch wert! Samstagabend fahre ich mit dem Günni ins Autokino und dann bin ich gespannt. Der Günni sagt nämlich immer, dass keiner so gute Liegesitze hat wie der Manta. Ob ich dem Günni mal sagen soll, dass er vorher auf sein Tomatenbrot mit Knofi verzichten soll? Wahrscheinlich will er dann sein Netzhemd anziehen. Mir doch egal, Hauptsache er stinkt nicht nach Knofi.
Jetzt gehe ich erst mal ans Büdchen und frage den Ärwin, ob ich seinen Fuchsschwanz haben kann. Den schwatze ich ihm heute noch ab. Manta ohne Schwanz geht doch gar nicht.
Schreibübung zu folgenden 8 Wörter:
EURO, MARK, TOMATEN, KNOFI, NEUOPEL, WASSER, PUMPE, KAFFEE
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