Sonntagabend

Sonntagabend. Statt meinem Ritual zu folgen und mich mit meiner Kuscheldecke auf dem Sofa zu verkriechen und den „Tatort“ zu schauen, vergnüge ich mich mit meiner Vorgesetzten bei einem kurzfristig angesetzten Essen in einem schwäbischen Restaurant. Wie langweilig ist doch das langsam dahin siechende Gespräch. Nein, außer einer Fußballabneigung besitzen wir beide keine Gemeinsamkeiten. Sie liebt Schweinebraten in fetter Sauce mit  Klößen und Rotkohl. Ich eher ein blutig gebratenes Steak mit Pommes und selbstgemachter Kräuterbutter.

Meine Vorgesetzte bestellte das Essen für mich mit, als ich kurz auf der Toilette war. Nun stochere ich mit meiner Gabel in irgendetwas unklaren auf meinem Teller. Ist es ein zu Staub gefallener Kloß, der sich in der Tütenbratensauce auflöst? Ich mag es nicht. Die Pampe nicht, den nach Schwein stinkenden Schweinebraten nicht, den nach zu viel Nelken riechenden Rotkohl nicht.
Ich mag meine Vorgesetzte nicht.
Ich flüstere es.
Ich sage es lauter, da sie mich nicht versteht.
Ich mag diesen Braten nicht.“
Ich mag keinen Fußball.“
Ich mag Sie nicht.“
Ich mag meine Arbeitsstelle nicht. Ich höre auf.“
Der Diskussion stelle ich mich nicht. Ich gehe.
Gehe in die Küche und stelle mich in einem Anfall von Größenwahn breitbeinig vor die Küchenmannschaft. Die Arme auf die Hüften gestützt brülle ich: „Ich will Fleisch. Richtiges Fleisch. Kein von einem Azubi zusammen gepanschten Schweinebraten. Nein, ein blutiges Steak mit Fritten und Kräuterbutter. Wer ist Manns genug und bringt es mir in einer halben Stunde zu unserem Lokalkoloriten?“
Kaum gesagt, drehe ich mich um, schwinge meine Hüften und verlasse die Küche und das Lokal.
Nach 5 Minuten Fußweg komme ich an der alten Burgruine an. Sie ist viel mehr Ruine als Burg. Dennoch bin ich gerne hier. Lehne mich an den alten Baum, der eine Eiche oder auch eine Esche sein kann. Ich betrachte die alten Mauern und würde so gerne einmal auf der höchsten stehen. Meine verdammte Höhenangst lässt das nicht zu.
Ein wenig dämmere ich vor mich hin. Keinen Gedanken verschwende ich an die anstehende Jobsuche. Ich genieße die Ruhe. Die einsetzende Dunkelheit ängstigt mich hier draußen nicht.
Ein leises Rascheln unterbricht meine Ruhe. Vorsichtige, kleine, aber schwere, Schritte kündigen jemanden an.
Dann rieche ich es. Fleisch, Knoblauch und frittiertes. Ungläubig schaue ich hoch und sehe weiß. Viel weiß: Weiße Kochmütze, weißes Kochhemd, weiße Kochhose.
Den Mann darin betrachte ich weniger. Dafür sehe ich sein freches Lächeln, welches sich in einem Gesicht mit vielen Grübchen auftut.
Na?“
Mehr nicht.
Ein Wort.
Wortlos zeige ich mit meiner rechten Hand auf dem Platz neben mir. Er setzt sich, hebt die Glosche an und ein atemberaubender Duft steigt hoch. Ja, ich gebe es zu: Ich bin verfressen. Ich bin wild auf Fleisch. Auf gebratenes und frisches.
Er zieht Messer und Gabel aus seiner Brusttasche, schneidet mir das Fleisch klein. Wortlos teilen wir uns das köstliche Essen.
Keinen Gedanken verschwende ich an den potenten Privatsekretär meiner ehemaligen Vorgesetzten.
Stattdessen schaue ich dem Mann neben mir in die Augen: „Ich will nur spielen.“

Schreibübung zu den folgenden 8 Wörter:

PRIVATSEKRETÄR, HÖHENANGST, GRÖßENWAHN, SPIELEN, ATEMBERAUBEND, LOKALKOLORIT, UNKLAR, SCHWEINEBRATEN

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