Kolumne: Schiebt mir doch Kühlplatten unter den Hintern
Als Verstorbene möchte ich nicht verwaltet werden.
Da mein Wunsch bei einem Spaziergang im Wald tot umzufallen und von Wildschweinen gefressen zu werden, eher nicht in Erfüllung gehen wird (es wäre schön ohne physische Spuren zu verschwinden, eine Trauerparty kann dennoch ausgerichtet werden) lässt mich der Gedanke an Kühlplatten nicht los.
Nachdem ich in der vergangenen Woche ein großes, fressendes afrikanisches Schwein sah, allerdings der Gedanke, dass ich zur Nahrungsaufnahme diene, ebenfalls nicht.
Nein, es geht nicht um einen Sonnenbrand am Allerwertesten, sondern um meinen Verwesungsprozess, der irgendwann starten wird.
Wem ist bekannt, dass man noch 36 Stunden daheim, oder an anderer Stelle, aufgebahrt werden kann? Welcher Bestattungsunternehmer teilt dies mit und transportiert mich an den Ort meiner Wahl?
Die Kühlplatten würden dazu dienen, den oben genannten Verwesungsprozess aufzuhalten.
Mir gefällt die Idee.
Denke ich an Kühlmatten, denke ich an Kühlakkus für Kühlboxen.
Denke ich an Kühlakkus, denke ich an Eiswürfel.
Denke ich an Eiswürfel, erinnere ich mich an alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke. An Durst im Sommer, an Durst in Gesellschaft. An Cocktailhaltige Abende mit Freunden und Bekannten. An Tequilla -Wetttrinken Nächte. An Wodkahaltige Momente, die Stunden entsprachen.
Mir gefällt die Idee.
Irgendwo rumzugammeln, im Lieblingsoutfit oder in etwas schrillem.
Gar mit Federboa?
Meinen Lieblingsmenschen die Möglichkeit zu geben „Tschüss“ zu sagen. Mir ins Gesicht zu sagen, was sie bisher nicht zu sagen oder zu brüllen trauten, Zwiegespräch zu führen oder was immer sie machen wollten.
Mir auf den letzten Drücker etwas vorzulesen?
Musik hören, lachen, weinen – wonach ihnen der Sinn steht.
Eine gute Voraussetzung für die spätere Trauerparty?
Passen selbstgestrickte Socken zu einem Outfit mit Federboa? Die Kühlplatten unter´m Hintern könnten eventuell die Füße auskühlen?
Eric Wrede: The End – Das Buch vom Tod
Klappentext:
Der Tod. Er erwischt uns irgendwann alle. Aber wer weiß, wie das geht? Sterben, beerdigen und trauern. Erklärt hat es uns niemand. Im schlimmsten Fall treten die Kirche und die Bestattungsbranche als Gralshüter einer „Kultur“ auf, die vor allem ihnen selbst nützt. Eric Wrede war Musikmanager und wurde Bestatter. Er will etwas ändern an der gängigen Trauerkultur. Er begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg frei von Konventionen. In seinem Buch zeigt er anhand vieler Beispiele aus der Praxis, wie die Alternative aussehen kann.
»Wenn man einen Tag mit Eric Wrede verbringt (…), verliert der Tod einiges an Schrecken.« ― Johanna Adorján, Süddeutsche Zeitung
Nach dem Lesen des Buches kann ich mich der Stimme der Kritikerin anschließen, dennoch verliert der Tod nicht alles an Schrecken. Insbesondere, wenn er im Krankenhaus erfolgt. Einiges ahnte ich, einige Details wurden gut beschrieben.
Dank dem Autor ist mir nun bekannt, dass eine Aufbahrung und Abschied zu Hause noch möglich sind.
Sterben, beerdigen und trauern sind die Themen des Buches, denen in verschiedenen Kapiteln nachgegangen wird. Dies geschieht in einem erfrischendem Erzählstil, der dazu ermutigt sich bereits früh mit den Themen auseinanderzusetzen. Weiterlesen
Der 9. Mai im Jahr 2025 – zum fünften Mal ohne Dich
Es ist Freitag und wieder gibt es Deinen Geburtstag ohne Dich. Zum fünften Mal. Manchmal ging er einher mit dem Muttertag, in diesem Jahr würdest Du beide Tage separat begehen können. 74 Jahre wärst Du nun. Manch einer würde sagen: „Das ist doch noch kein Alter.“ Es wurde bereits so gesagt, als Du mit 69 Jahren gestorben bist. Du, Dein Körper, wollten, konnten nicht mehr.
Erst letzte Woche habe ich den kleinen Brief auf dem Laptop gefunden, den ich Deinem Paket im Juni 2020 beigelegt hatte. Du konntest meine Schrift nicht mehr so gut lesen.
Diese Dinge aus dem „Off“, Songs, die Du gerne gehört hast und verdammt noch mal sogar Dinge, die Du gerne gegessen hast (ich erwähnte bereits, dass im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt oder ähnlichen Gelegenheiten die Tränen durch die Erinnerungen hochkommen) erinnern an Dich.
Du würdest jetzt über mich lachen.
War Dir jemals bewusst, wie oft „You are the one, that I want“ im Radio gespielt wird? Gefühlt täglich.
Rückwirkend bin ich froh, dass Du unbedingt noch einmal mit mir telefonieren wolltest. Ich hätte Dich weiterschlafen lassen. Du warst lieb, klar – solche Telefonate führten wir nicht mehr so häufig.
Du hast weiterhin Deine kleine Ecke in meiner Wohnung. Mit einem Buddha, Kerze und immer frischen Blumen. Manchmal einem Gesteck. Ja, manchmal spreche ich mit dem Foto oder erwische dabei die Kerze. Erzähle von Dingen, die mich beschäftigen, was ich erlebt habe. Es gibt keine Antwort. Allerdings auch keine Widerrede. Gut, ich bin ehrlich, manchmal kommen auch Dinge zur Sprache, die ich Dir lieber Face to face gesagt hätte. Zuletzt im Rahmen von Biographiearbeit.
Ja, es gibt die Momente, in denen ich denke, ach, das möchte ich Mama zeigen. Das würde ihr gefallen. Oder Dich zu einer Veranstaltung mitnehmen. Keine Angst, der Besuch eines STOPPOK Konzerts würde nicht darunterfallen.
Diese gemeinsamen Momente wird es nicht mehr geben.
Wo immer Du bist, ich wünsche Dir dort eine schöne, schmerzfreie Zeit.
Miss you.
Deine Tochter.
„Alles hat seine Zeit.
Es gibt eine Zeit der Freude, des Glücks,
eine Zeit beisammen zu sein, eine Zeit sich zu trennen.
Eine Zeit der Stille,
eine Zeit des Schmerzes,
der Trauer,
eine Zeit der dankbaren Erinnerung.“
P.S.: Wurde ein Gänseblümchen bei Dir abgelegt, so besuchte Dich Deine jüngste Tochter.