Stefan Krücken: Unverkäuflich

Klappentext:
Bobby Dekeyser ist fünfzehn, als er im Unterricht aufsteht und beschließt, Fußballprofi zu werden. Vier Jahre später steht er im Tor des FC Bayern München. Nachdem ihn ein Gegenspieler schwer verletzt, beginnt ein spektakuläres Abenteuer: Von einem Bauernhof in Niedersachsen aus schafft es Dekeyser, Vater von drei Kindern, ein Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern zu erschaffen. Mit Verantwortungsbewusstsein, sozialem Engagement und gegen so ziemlich jede Regel, die es in der Welt der Wirtschaft gibt.UNVERKÄUFLICH! soll ein Handbuch der Inspiration sein. Ein Mutmacher, ein intimer Blick in die Seele eines Unternehmers. Es zeigt einen Weg zum Erfolg, der sich nicht an klassischer Schulbildung, steifer Karriereplanung und am Recht des härtesten Ellbogens orientiert. Dekeyser berichtet auch von der dunklen Seite der Verantwortung, von Einsamkeit und Zweifeln. Und von der Verzweiflung nach dem tragischen Tod seiner Frau. Vor allem aber von seinem Willen, trotz Schlägen des Schicksals niemals aufzugeben. Von Familiensinn, von Freundschaft und vor allem: einem grenzenlosen Optimismus. ANKERHERZ – Das Leben ist spannend.
Auf der Rückseite wird das Buche als ein „Handbuch der Inspirationen“ beschrieben.
Es entstand über einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren. So liest es sich leider auch: Als eine Aneinanderreihung von Gesprächen, die in Kapitel unterteilt sind und dabei nicht flüssig geschrieben sind. Die an sich spannende Lebensgeschichte des Bobby Dekeyser wird ungelenk beschrieben. Der Enthusiasmus mit dem er seine Fußballkarriere und später sein Unternehmen aufbaute, wird glaubhaft transportiert. Die bisweilen eingeflochtenen „Weisheiten“ stören bisweilen. Die Anekdoten aus seinem Leben (Rikscha in New York) amüsieren, die Botschaften wie „Hinfallen und wieder aufstehen“ überzeugen anhand seiner Lebensgeschichte.
Diese Lebens- und Unternehmensgeschichte ist sicherlich einmalig und mehr als interessant. Weniger interessant ist, wie die Geschichte geschrieben wurde. Es ist schade, dass ein Buch, welches über einen solch langen Zeitraum entstand, so schlecht geschrieben ist. Teilweise sogar langweilig. Ich unterstelle Stefan Krücken, dass er ein guter Reporter ist, allerdings ein schlechter Buchautor.
Seine Zeitungsartikel und auch das Schlusswort sind gelungen. Ca. 8 Bücher schrieb er, das bekannteste vermutlich über „Kaptain Schwandt“. Auch hier wurde der Fehler begannen, dass aus einer guten Ausgangssituation ein enttäuschendes Buch entstand. Doch zurück zu „Unverkäuflich“. Wer ein Buch lesen möchte, in dem man zwischendurch immer einige Zeilen lesen möchte, ohne nach Wochen der Pause den Anschluss zu verlieren, ist hier gut bedient. Wer ein Buch in den Händen halten möchte, welches auf schönem Papier gedruckt wurde und welches sich daher  gut anfühlt, ist hier ebenfalls gut bedient. Wer die schönen Fotos geniessen kann, ist mit diesem Buch ebenfalls gut bedient.
Wer nachlesen möchte, wie aus einer interessanten Lebensgeschichte ein wirklich langweiliges Buch entstand, der ist mutig.

 

„Read what I see“: Fingerspuren

Mit einem leisen Plopp kullern die Orangen automatisch in die Saftpresse. Tropfen für Tropfen werden sie in der großen Karaffe aufgefangen. Der Kaffeeautomat röchelt und spukt den Kaffee in die Tasse aus. Ich sitze an einem Tisch in einem Café und möchte den neuen Thriller zu lesen beginnen, während ich ein Croissant in den heißen Milchkaffee stippe. Zuvor einen Schluck trinken, das aufgestäubte Kakaopulver vorsichtig abschlürfen und den Prolog lesen, der gleich mit mehreren Toten aufwartet. Ein Start in den Tag, und in das Buch, wie ich es mir wünsche.
Eigentlich.
Plötzlich steigt der Lärmpegel, der mich zwingt den Kopf in die Runde zu heben. Eine Fahrradfahrergruppe bestehend aus zwei Erwachsenen und vier Kindern betreten das Café. Die Kinder stürmen weiter auf die Terrasse, auf der sich anscheinend bereits Bekannte aufhalten. Tische werden zusammengerückt, sich herzlichst begrüßt, um dann den Weg zur Theke zu finden.
„6 Nudelgerichte und 6 Mal Apfelschorle, bitte.“
„Sonntags bieten wir keine Nudelgerichte an.“ Diesem Satz folgen Schmollschnuten und laute Diskussionen auf Seiten der Eltern, während die Kinder unisono nach Butterbrezeln rufen. Diverse Eierspeisen und viele Butterbrezeln werden kurz darauf nach draußen an die zusammengestellten Tische getragen. Die Unterhaltung wird lebhaft. Die Kinder mopsen sich untereinander die Speisen, was zu kleinen körperlichen Auseinandersetzungen mit dem einhergehenden Gebrüll führt. Die Eltern stört es nicht und die Kinder noch weniger. Zwei von ihnen tragen Brillen mit auffällig dicken Gläsern. Ein wenig Mitleid kommt in mir hoch. Ist mir aus früheren Erfahrungen noch in Erinnerung, wie Schulkinder, die solche Brillen trugen, häufig gehänselt wurden. Unabhängig davon, dass diese Brillen vermutlich die einzige Chance waren, um eine verbesserte Sehqualität und dadurch Lebensqualität zu erhalten.
Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder meinem Buch zu. Der Versuch scheitert kurz darauf, als sich die Tür des Cafés öffnet und aus verschiedenen Kindermündern „Ana“ in voller Lautstärke dröhnt. Eine Frau betritt mit drei Kindern das Café. In einem Buggy sitzt ein Junge, dessen Beine weit über den Rand hinausragen. Es wirkt, als würde der Buggy dadurch jeden Moment umkippen. Ein kleines Mädchen trägt über ihre Spitzenleggings ein kurzes Rüschenkleid. Die lockigen Haare sind zu einem Zopf gebunden. Ich bewundere sie für ihre dichten Haare und ihr verschmitztes Lächeln.
„Ana. Ana. Ana.“ Wer von den Kindern ruft, ist für mich noch nicht zu unterscheiden. Alle vier setzen sich an einen Tisch. Der größere Junge streicht sich über seine Haare. Seine rechte Seite am Kopf ist ausrasiert, mit einem interessanten Muster versehen. Während er ständig über diese Seite streicht, vermute ich, dass der Haarschnitt noch recht frisch sein muss. Er wirkt stolz.
Die Kinder beginnen zu essen und trinken. Stets von lauten „Ana“ Rufen unterbrochen. Mir ist nicht klar, warum sie so laut rufen, während ihnen ihre Mutter gegenübersitzt. Theoretisch in Flüsternähe. Die Butterbrezeln werden auseinandergenommen, mit der Butter gespielt und in Windeseile die Teller leer gegessen. Mit kleinen Taschenlampen versucht ein jedes Kind mich zu blenden und lachen sich bei dem Versuch schlapp. Ich muss mitlachen. Verstehen kann ich sie nicht, ich spreche ihre Sprache nicht. Irgendwann bemerken der größere Junge und das Mädchen, dass ihre Hände verklebt oder fettig sind. Mit einer wachsenden Begeisterung drücken sie nun abwechselnd ihre Hände von innen an das Fenster und schauen sich die sichtbaren Abdrücke an. Anschließend malen sie mit den Fingern Figuren auf das Fenster. Die Kinder der Radfahrergruppe, die auf der Terrasse sitzen, bemerken die Zeichnungen und fügen auf ihrer Seite des Fensters ebenfalls welche dazu. Nur durch Mimik verständigen sich alle und auf beiden Seiten wird weiter gemalt. Kindheitserinnerungen an Fingermalfarben werden in mir wach. Mein Hausfrauenherz gerät ins Stolpern. Doch was berührt es mich? Gar nicht. Zum einen sind es nicht meine Fenster, zum anderen macht es Spaß den Kindern zuzuschauen. Und ihnen macht die Verschönerungsaktion anscheinend auch Spaß.
Als ihre Finger keine Spuren mehr auf den Fenstern hinterlassen, wenden sie sich wieder ihren Taschenlampen zu. Sie versuchen sich untereinander erneut zu blenden und brüllen sich dabei etwas zu. Die Geräuschkulisse ist enorm, denn laute „Ana“ Rufe fehlen weiterhin nicht. Inzwischen kenne ich Ana in allen Lautstärken, Zwischentönen und Tonmelodien.
An Lesen ist nicht zu denken. An zuschauen schon.
Irgendwann verlassen sie das Café und ich wende mich meinem Buch zu. Versuche es, denn der laute Ausruf des Missfallens einer Mitarbeiterin, die das „bemalte“ Fenster entdeckt, ist nicht zu überhören. Wie ich bereits ähnlich erwähnte, mein Hausfrauenherz kann es nachvollziehen.
Die Radfahrergruppe stürmt das WC, um sich ihre mitgebrachten Wasserflaschen aufzufüllen und verlassen darauf ebenfalls das Café.
Es ist still. Ich bestelle einen zweiten Milchkaffee und beginne das erste Kapitel zu lesen.

 

Foto: Pixabay.com, Prawny

Kolumne: Warum selber machen?

Zum letzten Mal schüttele ich das große Glas, in dem sich viele Schnittlauchblüten in Balsamicoessig eingelegt befinden. Der inzwischen rosa gefärbte Essig sieht im Sonnenlicht sehr schön aus und funkelt. Nach dem abseihen wird er in Flaschen umgefüllt und ist bereit um verschenkt zu werden. Eine Flasche bleibt bei mir, der Rest findet den Weg in die Welt. Den scharfen Geschmack, der im Salatdressing die Zwiebel ersetzen soll, wird sicherlich auch andere erfreuen. Genau darum geht es mir: Andere erfreuen. Mit dem Spitzwegerich habe ich einen kalten Ölauszug angesetzt, der später zu einer Salbe verarbeitet wird und nicht nur bei Insektenstichen oder Husten hilft.
Die ersten neuen Rezepte habe ich bereits herausgesucht und beginne Gläser zu sammeln. Sauerkirschmarmelade mit Ingwer und Chilli wartet darauf ausprobiert zu werden und die beliebte Apfel-Birnen-Marmelade mit Estragon im Herbst wieder eingemacht zu werden. Im Sommer wird es wieder meine eingelegte Zucchinispezialität geben, deren Rezept ich selten verrate. Eher verschenke ich die gefüllten Gläser. Feigen-, Kiwi,- Pfirsichmarmelade und vieles mehr wird selbstgemacht wieder in meinem Schrank landen. Nein, das kann ich wirklich nicht alles selber verzehren. Insbesondere da ich vieles davon aufgrund einer Lebensmitteltoleranz nicht vertrage.
Ich liebe es nach neuen Rezepten zu schauen, die Zutaten zu besorgen und in der kleinen Küche am Herd zu stehen und diese Dinge zu kochen. Manchmal stelle ich mir vor, dass ich mich in einer großen Landhausküche befinde und tagelang damit verbringe.
Manchmal probiere ich einen Likör aus. Der Melisselikör schmeckte wirklich gut, trotz der vielen Umdrehungen. Ich glaube, er bereicherte einige Damenrunden. Nun überlege ich einen Rhabarberlikör anzusetzen. Aufgegossen mit kühlem Sekt wird er erfrischend schmecken.
Natürlich backe ich Plätzchen in der Adventszeit. Auch hier wird vorher nach neuen Rezepten geforscht und ausreichend Keksdosen besorgt. Klassiker und neues wird gebacken. Letztendlich werden nur wenige Kekse bei mir bleiben. Der Rest wird schön verpackt und weiter verschenkt.
Die Frage steht weiter im Raum, warum Dinge selber zu machen? Oft sind sie günstiger zu kaufen. Wenn ich in mein Küchenfach greife und ein paar Gläser für eine Freundin zusammenstelle, die einfach leckere Nervennahrung benötigt und sich bei der Übergabe freut, dann freue ich mich auch. Freude beim Verschenken ist eine besondere. Wenn sich über das selbstgemachte Geschenk gefreut wird, dann ist es gleich doppelt so schön.
Wenn ich Weihnachtsdosen an Backmuffel verschenke, sie die Dose öffnen und lächeln, dann freue ich mich mit ihnen.
Wenn ich ein kleines Geschenkpäckchen mit Gläsern zusammenstelle und mein Gegenüber überrasche, dann freut es mich einfach.
Genau: Nicht mehr und nicht weniger. Es geht darum Freude zu schenken. Mit Dingen, die manch einer einfach nicht selber macht oder selber machen kann.

P.S.: Wer Sauerkirschen zu verschenken hat findet in mir eine dankbare Abnehmerin 😉

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