Andreas Gruber: Todesmärchen
Klappentext:
In Bern wird die kunstvoll drapierte Leiche einer Frau gefunden, in deren Haut der Mörder ein geheimnisvolles Zeichen geritzt hat. Sie bleibt nicht sein einziges Opfer. Als der Profiler Rudolf Horowitz das spezielle Zeichen entdeckt, dass der Mörder in der Haut des Opfers hinterlassen hat, fordert er umgehend Maarten S. Sneijder vom BKA Wiesbaden an.
Dieser äußerst exzentrische niederländische Profiler trifft wenig später zusammen mit seiner jungen Kollegin Sabine Nemez in Bern ein. Gemeinsam untersuchen sie Tatort und Leiche, und bald weist alles darauf hin, dass dieser Mord nur der erste in einer Reihe von äußerst blutigen Taten ist und mit einer anderen Serie von Verbrechen zu tun hat, die Sneijder vor Jahren aufgeklärt hat. Damals brachte Sneijder den ebenso intelligenten wie grausamen Serienmörder Piet von Loon nach einer mörderischen Hetzjagd hinter Gitter..
Van Loon sitzt jetzt in einer Haftanstalt auf einer kleinen Felseninsel in der Flensburger Förde ein. Dort soll die junge Psychologin Hannah eine Theatergruppe leiten, der auch Piet van Loon angehört. Zwischen den beiden beginnt ein intensives Katz- und Mausspiel, das die aktuellen Ermittlungen beeinflusst.
Dort folgen Sneijder und Sabine inzwischen der blutigen Spur des Mörders. Doch um den Täter endgültig zu überführen, fehlt ein letztes Puzzleteil – und das scheint irgendwo in Maarten S.Sneijders Vergangenheit verborgen zu sein.
542 Seiten lang zog mich dieser Thriller in seinen Bann. Die Nacht wurde durchgelesen und mit dicken Augen und einer kräftigen Tasse Kaffee versorgt, kann ich nun beschreiben, warum mich dieses Buch so fesselte. Die Handlung wird im Klappentext bereits gut dargelegt.
Eine Frauenleiche ruft den Profiler Maarten S.Sneijder auf den Plan, der mit seiner Kollegin Sabine Nemez den Fall bearbeitet. Weitere Morde folgen.
Die Krimihandlung, beginnend ca. 2 Jahre nach „Todesurteil“ ist in 7 Teile unterteilt und spielt an verschiedenen Orten. Im Prolog wird kurz auf eine 5 Jahre zurückliegende Situation eingegangen, im Epilog auf…. Dazu später mehr.
Erzählt wird die Handlung vorwiegend aus der Sicht der jungen Psychologin Hannah Norland und der, inzwischen forensischen Fallanalytikerin, Sabine Nemez. Etliche Nebenfiguren erweitern die Handlung. Das i-Tüpfelchen der Charaktere ist und bleibt Maarten S.Sneijder. Ein sehr spezieller Charakter, der unter Cluster Kopfschmerzen leidet und diese ungewöhnlich bekämpft.
In Rückblenden wird Bezug auf Geschehnisse von vor 5 Jahren genommen. Doch dauert es sehr lange, bis der Leser auch nur ein wenig die Puzzlestücke zusammenfügen kann. Nahezu 250 Seiten bleibt er unwissend und erhält die Erkenntnisse nur in kleinen Dosierungen.
Irgendwann wurde auch mir klar, dass es um einen Fall geht, in dem Sneijder privat involviert ist. Nicht nur, weil er damals den Serienkiller fasste, dessen Morde nun nachgeahmt werden. Oder die r sogar selbst begeht? Doch wie, wenn er auf einer kleinen Felseninsel in Haft ist?
Mehr kann kaum beschrieben werden, ohne zu viel von der Handlung zu verraten. Wäre ich eine Amerikanerin, würde ich sagen: Ein Pageturner durch und durch. Da ich es nicht bin, kann ich nur sagen. Ein sehr sehr spannender Thriller, der mich dazu brachte, die Nacht durch zu lesen. Begeistert von der Handlung und der Figur des Maarten S.Sneijder war es logisch das Buch nicht mehr aus der Hand zu legen.
Am Ende dachte ich: Puh, welch ein Ende. Doch dann, dann kam der Epilog. Der führte bei mir zu einer kurzen Schnappatmung und zu einem: „Verflucht, Andreas Gruber, warum machst Du das mit mir? Mit Deinen Lesern?“
Fast war ich dem Autor ein wenig böse.
Dann las ich die Danksagung und nun bin ich irre gespannt auf das nächste Buch mit Maarten S.Sneijder.
Nein, ich verrate nichts über den Epilog oder die Danksagung.
Nur über den Thriller: Ein Thriller mit Nägel-Abbeißgarantie.
Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es niemals war
Klappentext:
Ist das normal? Zwischen Hunderten von körperlich und geistig Behinderten als jüngster Sohn des Direktors einer Kinder- und Jugendpsychiatrie aufzuwachsen? Der junge Held in Joachim Meyerhoffs zweitem Roman kennt es nicht anders – und mag es sogar sehr. Sein Vater leitet eine Anstalt mit über 1.200 Patienten, verschwindet zu Hause aber in seinem Lesesessel. Seine Mutter organisiert den Alltag, hadert aber mit ihrer Rolle. Seine Brüder widmen sich hingebungsvoll ihren Hobbys, haben für ihn aber nur Häme übrig. Und er selbst tut sich schwer mit den Buchstaben und wird immer wieder von diesem großen Zorn gepackt. Glücklich ist er, wenn er auf den Schultern eines glockenschwingenden, riesenhaften Insassen übers Anstaltsgelände reitet. Joachim Meyerhoff erzählt liebevoll und komisch von einer außergewöhnlichen Familie an einem außergewöhnlichen Ort, die aneinander hängt, aber auseinandergerissen wird. Und von einem Vater, der in der Theorie glänzt, in der Praxis aber stets versagt. Wer schafft es sonst, den Vorsatz zum 40. Geburtstag, sich mehr zu bewegen, gleich mit einer Bänderdehnung zu bezahlen und die teuren Laufschuhe nie wieder anzuziehen? Oder bei Flaute mit dem Segelboot in Seenot zu geraten und vorher noch den Sohn über Bord zu werfen? Am Ende ist es aber wieder der Tod, der den Glutkern dieses Romans bildet, der Verlust, der nicht wieder gutzumachen ist, die Sehnsucht, die bleibt – und die Erinnerung, die zum Glück unfassbar pralle, lebendige und komische Geschichten produziert.
Das Buch fand ich eher zufällig und dachte mir: Auf dem Psychiatriegelände aufzuwachsen und darüber zu schreiben kann im Ergebnis nur ein gutes Buch werden.
Erst dann las ich ein wenig über den Autor nach und erfuhr, dass er Schauspieler, Regisseur, und Autor ist.
Als Schauspieler spielte er erfolgreich sein Programm: Alle Toten fliegen hoch ( in 6 Teile unterteilt). Hier wird seine eigene Geschichte bzw. die Geschichte seiner Eltern und Großeltern erzählt. Aus dem Programm entstand der (preisgekrönte) Roman „Amerika“ als Band der Romantrilogie:
Band 1: Amerika
Band 2: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie wieder war
Band 3: Gibt es noch nicht
Mich zog das Buch von der ersten Seite in den Bann und ich schämte mich fast darüber, dass ich eine so geringe Erwartungshaltung hatte, sondern das Buch nur auf den „Wohnort“ des Ich-Erzählers reduzieren wollte.
Ganz schnell ist es während der Besprechung geschehen, dass ich eine mehrseitige Inhaltsangabe schrieb. Ja, wie ein Schüler, der einen Aufsatz schreibt.
Beschreibe ich das Buch, müsste ich eigentlich eine Zusammenfassung des gesamten Buches schreiben. Eigentlich….. Die Erlebnisse, die Beschreibungen: Sie sind anrührend, teilweise witzig, nie beleidigend, sehr lebendig, amüsant, liebevoll.
Dieses liebevoll möchte ich an einer Szene festmachen: Der Ich-Erzähler geht gerne mit seinem Vater an den Strand. Wenn es heimgehen soll, schlägt er dem Vater immer noch vor: „Noch einen Bauchnabel voll bleiben“. Der Vater stimmt dem zu und widmet sich wieder seinem Buch. Sohnemann geht ans Meer, füllt seine Hände mit Wasser und kippt sie dem Vater in den Bauchnabel. Wenn das Wasser verdunstet ist, geht es heim.
Dementsprechend groß ist seine Angst, als sein Vater plötzlich von Plänen erzählt, um abzunehmen: Was geschieht dann mit dem Bauchnabel? Wird dieser kleiner? Verkürzt es zukünftig die Badezeit?
Auf den ersten Blick ein sehr heiteres Buch, aber nicht nur. Es ist tragisch, es ist komisch, es ist traurig. Denn auch vor dem Tod wird in dem Buch nicht halt gemacht.
In„Wann wird es endlich wieder so, wie es niemals war“ wird nicht chronologisch erzählt. Es ist ein Buch über eine Kindheit, die voller toller und komischer Geschichten steckt. Nicht nur durch das Aufwachsen neben einer Kinder- und Jugendpsychiatrie wird plastisch dargestellt, auch die Hauptfigur in dem Buch, der Vater. Ein Vater, der eine Anstalt leitet, im Leben aber herrlich versagt. Auf dem ersten Joggingversuch nach seinem 40. Geburtstag verletzt er sich mit einem Bänderriss. Oder schafft es bei Windstille in Seenot zu geraten und währenddessen versehentlich seinen Sohn von Bord zu schlagen. Oder lädt an seinen Geburtstag nur Patienten zu sich ein. Nie geht er unter Leute, arbeitet oder ist daheim. Während der „Daheim Zeit“ sitzt er in seinem Sessel und liest und liest. Es gibt nichts, was er sich nicht erlesen hat. Macht sein Sohn eine Reise, so hielt er sich durch seine gelesenen Bücher dort bereits auf.
Der größte Teil des Buches ist von diesen lustigen, drolligen Geschichten geprägt. Man lacht mit, amüsiert sich und denkt manchmal, dass es in dieser Form nicht geschehen sein kann. Wie kann es sein, dass der Erzähler am besten bei dem aus der Anstalt herüberwehendem Gebrüll einschlafen kann?
Es wird auch über ernste Momente geschrieben. Der Tod kommt ins Spiel, der Erzähler wird älter, und die Familie entwickelt sich in eine Richtung, die man vorher nicht erwartet hat.
Mir kam das ein wenig zu plötzlich, da ich weiter auf heitere, wenn auch manchmal nachdenkliche, Erzählmomente eingestellt war. Aber Eltern und somit auch sein von Lebensfreude und Übergewicht geprägter Vater werden älter. Und krank.Dem Buch tut es keinen Abbruch, beschreibt er den Tod des Vaters ernst, betroffen, ehrlich und liebevoll zugleich.
Ist es eine Hommage an den Vater? Ein „liebevolles“ Vaterbuch? Oder doch nur ein erinnern?
Wurde wirklich alles so erlebt oder doch ein wenig erdichtet? Man darf nicht vergessen: Joachim Meyerhoff ist Schauspieler, führt eigene Programme auf und er scheint ein kleiner Selbstdarsteller zu sein.
Mir ist es egal, denn das Buch hat mich über viele Stunden gut unterhalten.
Hjorth & Rosenfeldt: Die Menschen, die es nicht verdienen
Klappentext:
Gerade noch hatte Mirre den Erfolg vor Augen, jetzt ist der Star einer Dokusoap tot. Hingerichtet, mit einem Bolzenschuss in den Kopf. Seine Leiche findet man in einem Klassenzimmer, an einen Stuhl gefesselt, einen Fragebogen auf den Rücken geheftet. Mirres Leistung: mangelhaft. Er hat nicht bestanden. Und sein Tod ist nur der Anfang.
Während Kommissar Höglund und sein Team von der Reichsmordkommission nach Spuren in Mirres Umfeld suchen, stößt Kriminalpsychologe Sebastian Bergman auf eine andere Fährte. Jemand spottet über die fehlende Bildung von Menschen, die im Rampenlicht stehen. Die Vorbildfunktion haben sollten, aber keine Vorbilder sind. Die ihren Erfolg nicht verdienen. Sebastian will den Mörder aus der Reserve locken und ihn mit seinen eigenen Mitteln schlagen. Ein tödlicher Fehler…
Normalerweise gehen schnelle Veröffentlichungen eines Autors irgendwann zu Lasten der Qualität. Nicht bei diesem Autorenpaar. Seit 2010 erscheinen in knapper Reihenfolge die Thriller um den Kriminalpsychologen Sebastian Bergmann. Dieser ist recht speziell und kommt über den Tod seiner Familie, die er im Tsunami verlor, nicht hinweg. Seine Sexsucht ist ein Symptom seiner Verletzbarkeit, die er nicht zugeben will.
Ursprünglich dachte ich, dass die jeweiligen Neuerscheinungen gelesen werden können, ohne die Vorgängerbücher zu lesen. Dann würde der Leser aber die Entwicklung des Teams und von Sebastian Bergmann verpassen. Unwichtig ist das nicht.
In einem Interview las ich einen Satz der Autoren, der sinngemäß so lautete: „Ein gesellschaftliches Statement? Nein, das wollten wir mit dem Buch nicht abgeben. Wir fanden einfach den Mord an sich so schön.“
Aha, ein Autorenpaar, welches seine Morde mag……
In diesem Buch geht es um die Morde an Dokustars. Sie müssen einen Test ablegen, bei nicht bestehen werden sie ermordet. Der Mörder will damit anprangern, dass diese „Stars“ als Vorbild dienen könnten, aber keine sind, weil sie dumm sind. So mordet er fleißig durch die Gegend und ändert auch seine Vorgehensweise.
Die Reichsmordkommission ermittelt und Sebastian Bergmann unterstützt, wobei er sich in Lebensgefahr begibt.
Die Entwicklungen im Team bekommen im Buch ihren Raum und mit einem Cliffhanger endet das Buch und macht wieder einmal Appetit auf meeeehr. Nehme ich das aktuelle Schreibtempo der beiden Autoren als Grundlage, so freue ich mich schon auf das neue Buch im Herbst 2016.
Das Buch ist in Deutschland keine zwei Wochen auf dem Markt und ich habe es sehr sehr zügig gelesen. Die Krimihandlung ist interessant und die Handlungsstränge sind spannend. Die Entwicklungen im Team sind so das kleine Schmankerl obendrauf, die mich das Buch haben sehr schnell durchlesen lassen.
Unbedingt lesen!!!
Der Vollständigkeit halber führe ich bisherigen Sebastian Bergmann Bücher in der Reihe ihres Erscheinungsdatum auf:
Band 1: Der Mann, der kein Mörder war (erschienen 2010)
Band 2: Die Frauen, die er kannte
Band 3: Die Toten, die niemand vergisst
Band 4: Das Mädchen, das verstummte
Band 5: Die Menschen, die es nicht verdienen