Lucinda Riley: Die sieben Schwestern (Band 1)

 

Klappentext:
Der Anfang der Geschichte um sieben Schwestern und deren einzigartiger Vergangenheit.
„Atlantis“ ist der Name des herrschaftlichen Anwesens am Genfer See, in dem Maia d’Aplièse und ihre Schwestern aufgewachsen sind. Sie alle wurden von ihrem geliebten Vater adoptiert, als sie noch sehr klein waren, und kennen ihre wahren Wurzeln nicht. Als er überraschend stirbt, hinterlässt er jeder seiner Töchter einen Hinweis auf ihre Vergangenheit – und Maia fasst zum ersten Mal den Mut, das Rätsel zu lösen, an dem sie nie zu rühren wagte. Ihre Reise führt sie zu einer alten Villa in Rio de Janeiro, wo sie auf die Spuren von Izabela Bonifacio stößt, einer schönen jungen Frau aus den besten Kreisen der Stadt, die in den 1920er Jahren dort gelebt hat. Maia taucht ein in Izabelas faszinierende Lebensgeschichte – und fängt an zu begreifen, wer sie wirklich ist und was dies für ihr weiteres Leben bedeutet …
Der Auftakt zur Erfolgsserie von Lucinda Riley.

Wer war Pa Salt, der sieben Mädchen adoptierte und sie abgeschieden aufwachsen ließ? Überraschend stirbt er, hinterlässt seinen Töchtern Hinweise und somit beginnt die Reihe um die sieben Schwestern.
Im ersten Band geht es um die älteste Schwester Maia. Eine Frau, die von Vernunft geleitet wird und anscheinend risikolos durchs Leben geht und irgendwie an Atlantis gebunden zu sein scheint. Stück für Stück wird dieser Eindruck aufgelöst. Sie stellt sich ihrer Herkunft und Vergangenheit. Selbstverständlich verliebt sie sich dabei.
Im Grunde ist damit bereits der Inhalt des 576 Seiten Buches erzählt. Zieht man die Leseprobe und die Anmerkungen der Autorin ab, schrumpft das Buch auf 537 Seiten. Diese 537 Seiten kamen mir zwischendurch recht lang vor. Ja, Pa Salt scheint der tolle Vater schlechthin gewesen zu sein, von dem dennoch keines seiner Kinder vieles wusste. Er bleibt geheimnisvoll, so dass ihm im nächsten Frühjahr Band 8 gewidmet wird. Der Rubel muss ja rollen?

Beim Lesen des Buches schleicht man irgendwie voran. Die Sprache ist nicht herausfordernd, im Gegenteil. Ich hätte ein Rosamunde Pilcher Buch in den Händen halten können. Dies ist nicht verwerflich. Oder gar abwertend gemeint. Entspannende Lektüre mit einer Liebesgeschichte, bei der ich als Leserin nicht viel mitdenken muss. Der interessanteste Part entfiel auf die Geschichte der Izabela Bonifacio und dem Bau des Cristo Redentor. Diese Geschichte erklärt die Herkunft von Maia, was die Aufgabe der folgenden Bücher zu sein scheint: Die Vergangenheit der einzelnen Schwestern zu erfahren und schlussendlich die von Papa Salt. Mit der sich anschließenden Leseprobe wird die Neugier auf Band 2 geweckt.

Muss man dieses Buch gelesen haben? Sicherlich nicht.
Wer ein anspruchsloses Buch mit einer netten Geschichte lesen möchte, ist mit diesem Buch gut bedient. Wie man widerstehen will, die folgenden Bände nicht zu lesen, um die Geschichten um die anderen Schwestern und von Pa Salt zu erfahren, ist mir ein Rätsel. Es kann gut sein, dass ich im Sommer nachgeben werde. Leichte Lektüre für sonnige Stunden auf dem Balkon oder am See kann man immer gebrauchen

 

„Read what I see“: Im Café Mai 2022 – Teil I

„Boh, jetzt muss ich die ganze Kinderschokolade umtauschen.“
„Musst Du nicht, überprüfe doch erst einmal die Chargennummern.“
„Chargen Watt?
„So Nummern auf der Schokolade. So steht es im Internet.“

Ich liebe es eine Spannerin zu sein und stehe zu dieser Vorliebe. In einem Café als passive Zuhörerin Unterhaltungen mitzuhören und teilweise anzuschauen ist immer wieder ein Quell der Freude. Während der Pandemie vermisste ich einige Dinge. Vor allem die Besuche in Cafés. Unfreiwillig in Geschehnisse eingebunden zu werden, die zu eigenen Gedankengängen, Vermutungen und Geschichten führen ist eine schöne Kopfarbeit. Die Qualität des servierten Kaffee ist manchmal zweitrangig.
Heute wurde ich ein einem Café am Niederrhein fündig. Eine nette Mitarbeiterin schaufelte mir im wahrsten Sinne des Wortes noch einen Platz in der Ecke, neben zwei Seniorenpärchen, frei. Der Parkplatz ist rappelvoll mit Fahrzeugen jeder Art, an der Theke gibt es eine ständige Schlange und die Gäste, aber auch die Mitarbeiter, wirken entspannt. Den gewünschten Milchkaffee bekam ich schnell serviert, fuhr den Laptop hoch und stellte fest, dass ein kostenlosen WLAN-Zugang angeboten wird. Die ersten Satzfetzen der Gäste, die meine Ohren erreichen, deuten an, dass mir der Aufenthalt hier gefallen wird. Die runden, blaugrauen Sessel sind gemütlich. Die Tischdeko ist dezent, aber farblich abgestimmt. In den grau angemalten Marmeladengläsern von „Glück“ wurde etwas Stroh und Holz reingelegt, dazu ein Stecker mit „It´s spring time“ aufgehängt.
Die meisten Gäste scheinen hier zu frühstücken. Auf einem Tisch steht eine Etagere mit Marmelade, Wurst usw. Auf den anderen Tischen Thermoskannen mit Kaffee. Daneben kleine Müslischalen mit abgepackter Kondensmilch und Zuckerwürfeln in Papier eingewickelt. Später erfahre ich, dass es eine Kaffee Flatrate gibt. Unbewusst erwarte ich den Spruch: „Draußen gibt es nur Kännchen.“
Die zwei Pärchen neben mir diskutieren, wie bereits erwähnt, über den großen Rückruf der Kinderschokolade Produkte und wundern sich, wie es geschehen konnte.
„Boh, jetzt muss ich die ganze Kinderschokolade umtauschen.“
„Musst Du nicht, überprüfe doch erst einmal die Chargennummern.“
„Chargen Watt?“
„So Nummern auf der Schokolade. So steht es im Internet.“
„Wie konnte datt nur passieren?“
„Da wird wohl Scheisse in die Produktionsanlage gelaufen sein.“
Würde Ferrero dies zugeben?

Ich nippe an meinem heißen Milchkaffee und mutiere erneut ungewollt zur ohralen Spannerin.
„Mein Mann hat nur noch wenige Hobbies: Fernsehen, essen und furzen.“
„Warum besorgst Du Dir dann keinen neuen?“
Fast spucke ich meinen Kaffee aus. Mit ach und krach kann ich verhindern ganz laut loszulachen.
Die Sätze fallen in einer Frauenclique, die aus sechs Frauen besteht. Die anderen Frauen dieser Clique scheinen den besagten Ehemann zu kennen und gehen nicht weiter auf die Hobbies oder die neue Besorgung ein. Sie widmen sich mit ihrer Unterhaltung nun anderen Themen. Mir ist dieser Ehemann unbekannt, dennoch bauen sich vor meinem Auge einige Bilder auf. Wer kennt besagte „“Helden“ nicht von Erzählungen betagter oder auch weniger betagter Damen?

Es gibt viel zu hören und zu sehen. Hinter der Verkaufstheke arbeitet ein junges Mädchen, die mit jedem zweiten Satz sagt: „Weiß ich nicht.“ Nichts zu wissen ist nicht schlimm. Doch wie sage ich gerne: Man sollte sein Nichtwissen kompetent und eloquent verkaufen. Oder?
Ob es eine Auszubildende ist oder eine Schülerin, die sich in den Osterferien ihr Taschengeld aufbessert? Die vorgeschriebene, lange Schürze mit Rüschen steht ihr gut und lässt sie kaum älter als 16 Jahre wirken. Wo werden noch Schürzen mit Rüschen getragen? Oder mit Spitze? Der Einheitslook – oder die Corporate Identity- gibt meist die bequemen langen Bistroschürzen vor. Die weißen Bauchschürzen aus gestärkter Baumwolle gehören schon lange dem letzten Jahrhundert an.
Schauen, zuhören, Gedanken fließen lassen und parallel dazu zu schreiben führt heute vermutlich dazu, dass ich den einen oder anderen Schreibfehler fabriziere?
Von der Frauengruppe höre ich noch: „Jetzt werden zwei Ehemänner an ihrem Grab stehen. Das ist doch schön.“
„An meinem wird keiner stehen und das ist auch schön.“
Die Unterhaltung driftet in das promiskuitive Verhalten der Freundin mit den zwei Ehemännern ab. So sehr die Frauen es in ihrer weiteren Unterhaltung verurteilen, so sehr bewundert es eine von ihnen. Wenn sie noch einmal die Zeit zurückdrehen könnte, ja dann … Was würde ich machen, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte?
Was würdest Du machen?
Eine Frage, die sich manch einer nicht nur an seinem Geburtstag stellt? Momente rückgängig machen, in denen Menschen verletzt wurden? Der einen oder anderen Versuchung nachgeben?

Fortsetzung folgt ….

„Read what I see“: Im Café Mai 2022 Teil I

„Boh, jetzt muss ich die ganze Kinderschokolade umtauschen.“
„Musst Du nicht, überprüfe doch erst einmal die Chargennummern.“
„Chargen Watt?
„So Nummern auf der Schokolade. So steht es im Internet.“

Ich liebe es eine Spannerin zu sein und stehe zu dieser Vorliebe. In einem Café als passive Zuhörerin Unterhaltungen mitzuhören und teilweise anzuschauen ist immer wieder ein Quell der Freude. Während der Pandemie vermisste ich einige Dinge. Vor allem die Besuche in Cafés. Unfreiwillig in Geschehnisse eingebunden zu werden, die zu eigenen Gedankengängen, Vermutungen und Geschichten führen ist eine schöne Kopfarbeit. Die Qualität des servierten Kaffee ist manchmal zweitrangig.
Heute wurde ich ein einem Café am Niederrhein fündig. Eine nette Mitarbeiterin schaufelte mir im wahrsten Sinne des Wortes noch einen Platz in der Ecke, neben zwei Seniorenpärchen, frei. Der Parkplatz ist rappelvoll mit Fahrzeugen jeder Art, an der Theke gibt es eine ständige Schlange und die Gäste, aber auch die Mitarbeiter, wirken entspannt. Den gewünschten Milchkaffee bekam ich schnell serviert, fuhr den Laptop hoch und stellte fest, dass ein kostenlosen WLAN-Zugang angeboten wird. Die ersten Satzfetzen der Gäste, die meine Ohren erreichen, deuten an, dass mir der Aufenthalt hier gefallen wird. Die runden, blaugrauen Sessel sind gemütlich. Die Tischdeko ist dezent, aber farblich abgestimmt. In den grau angemalten Marmeladengläsern von „Glück“ wurde etwas Stroh und Holz reingelegt, dazu ein Stecker mit „It´s spring time“ aufgehängt.
Die meisten Gäste scheinen hier zu frühstücken. Auf einem Tisch steht eine Etagere mit Marmelade, Wurst usw. Auf den anderen Tischen Thermoskannen mit Kaffee. Daneben kleine Müslischalen mit abgepackter Kondensmilch und Zuckerwürfeln in Papier eingewickelt. Später erfahre ich, dass es eine Kaffee Flatrate gibt. Unbewusst erwarte ich den Spruch: „Draußen gibt es nur Kännchen.“
Die zwei Pärchen neben mir diskutieren, wie bereits erwähnt, über den großen Rückruf der Kinderschokolade Produkte und wundern sich, wie es geschehen konnte.
„Boh, jetzt muss ich die ganze Kinderschokolade umtauschen.“
„Musst Du nicht, überprüfe doch erst einmal die Chargennummern.“
„Chargen Watt?“
„So Nummern auf der Schokolade. So steht es im Internet.“
„Wie konnte datt nur passieren?“
„Da wird wohl Scheisse in die Produktionsanlage gelaufen sein.“
Würde Ferrero dies zugeben?

Ich nippe an meinem heißen Milchkaffee und mutiere erneut ungewollt zur ohralen Spannerin.
„Mein Mann hat nur noch wenige Hobbies: Fernsehen, essen und furzen.“
„Warum besorgst Du Dir dann keinen neuen?“
Fast spucke ich meinen Kaffee aus. Mit ach und krach kann ich verhindern ganz laut loszulachen.
Die Sätze fallen in einer Frauenclique, die aus sechs Frauen besteht. Die anderen Frauen dieser Clique scheinen den besagten Ehemann zu kennen und gehen nicht weiter auf die Hobbies oder die neue Besorgung ein. Sie widmen sich mit ihrer Unterhaltung nun anderen Themen. Mir ist dieser Ehemann unbekannt, dennoch bauen sich vor meinem Auge einige Bilder auf. Wer kennt besagte „“Helden“ nicht von Erzählungen betagter oder auch weniger betagter Damen?

Es gibt viel zu hören und zu sehen. Hinter der Verkaufstheke arbeitet ein junges Mädchen, die mit jedem zweiten Satz sagt: „Weiß ich nicht.“ Nichts zu wissen ist nicht schlimm. Doch wie sage ich gerne: Man sollte sein Nichtwissen kompetent und eloquent verkaufen. Oder?
Ob es eine Auszubildende ist oder eine Schülerin, die sich in den Osterferien ihr Taschengeld aufbessert? Die vorgeschriebene, lange Schürze mit Rüschen steht ihr gut und lässt sie kaum älter als 16 Jahre wirken. Wo werden noch Schürzen mit Rüschen getragen? Oder mit Spitze? Der Einheitslook – oder die Corporate Identity- gibt meist die bequemen langen Bistroschürzen vor. Die weißen Bauchschürzen aus gestärkter Baumwolle gehören schon lange dem letzten Jahrhundert an.
Schauen, zuhören, Gedanken fließen lassen und parallel dazu zu schreiben führt heute vermutlich dazu, dass ich den einen oder anderen Schreibfehler fabriziere?
Von der Frauengruppe höre ich noch: „Jetzt werden zwei Ehemänner an ihrem Grab stehen. Das ist doch schön.“
„An meinem wird keiner stehen und das ist auch schön.“
Die Unterhaltung driftet in das promiskuitive Verhalten der Freundin mit den zwei Ehemännern ab. So sehr die Frauen es in ihrer weiteren Unterhaltung verurteilen, so sehr bewundert es eine von ihnen. Wenn sie noch einmal die Zeit zurückdrehen könnte, ja dann … Was würde ich machen, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte?
Was würdest Du machen?
Eine Frage, die sich manch einer nicht nur an seinem Geburtstag stellt? Momente rückgängig machen, in denen Menschen verletzt wurden? Der einen oder anderen Versuchung nachgeben?

Fortsetzung folgt ….

Robert Seethaler: Der letzte Satz

Klappentext:
Gustav Mahler auf seiner letzten Reise – das ergreifende Porträt des Ausnahmekünstlers. Nach „Das Feld“ und „Ein ganzes Leben“ der neue Roman von Robert Seethaler.
An Deck eines Schiffes auf dem Weg von New York nach Europa sitzt Gustav Mahler. Er ist berühmt, der größte Musiker der Welt, doch sein Körper schmerzt, hat immer schon geschmerzt. Während ihn der Schiffsjunge sanft, aber resolut umsorgt, denkt er zurück an die letzten Jahre, die Sommer in den Bergen, den Tod seiner Tochter Maria, die er manchmal noch zu sehen meint. An Anna, die andere Tochter, die gerade unten beim Frühstück sitzt, und an Alma, die Liebe seines Lebens, die ihn verrückt macht und die er längst verloren hat. Es ist seine letzte Reise.
„Der letzte Satz“ ist das ergreifende Porträt eines Künstlers als müde gewordener Arbeiter, dem die Vergangenheit in Form glasklarer Momente der Schönheit und des Bedauerns entgegentritt.

„Ein ganzes Leben“ war ein Kleinod und machte mich auf den Autor aufmerksam. „Der Traffikant“ mochte ich, mit „Das Feld“ wurde ich noch nicht warm.
Dieses Büchlein – bei 128 Seiten mag ich nicht von einem Buch schreiben, enttäuschte mich. Inhaltlich war es austauschbar. Ob er über Gustav Mahler geschrieben hat oder einen anderen Menschen, nichts brachte mich Gustav Mahler näher. Ging es wirklich um ihn? Oder einen x-beliebigen Mann? Zu abstrakt wurde G. Mahler beschrieben. Berührten die bisher gelesenen Bücher, wurden Bilder im Kopf erzeugt, war die Sprache in diesen magisch – so fehlte all´ dies in diesem Büchlein. Ein Büchlein, das was darstellen soll? Eine Biographie? Verfehlt. Ein Bericht? Verfehlt. Ein Reisebericht? Verfehlt. Eine Sammlung an Erinnerungen? Verfehlt.
Der Verlag Hanser Berlin hätte gutgetan, dieses Werk noch wachsen zu lassen, zumal 19€ für 128 Seiten ein wirklich stolzer Preis sind.
Der Aufkleber: „Spiegel Bestseller“ stellt erneut kein Qualitätsmerkmal dar.

 

Kurzes Buch = Kurze Besprechung

Das pralle Leben

Titten, Titten, Titten war das letzte was der Weihnachtsmann laut vor sich hinmurmelte, bevor er im Kamin stecken blieb. Dass ihm dies ausgerec hnet an seinem 40. Dienstjubiläum bei „Chez Susi“ passieren würde, brachte seinen ganzen Dienstplan durcheinander. Ach, die Susi. Der zweite Teil des „Chez Susi“ hatte einfach ein zu köstliches Buffet aufgebaut. Seit 1981 betrieb sie ihren Swinger Club, dessen Namensgebung bereits in den 80er Jahren von schlechtem Geschmack zeugte und im Jahr 2021 Assoziationen an Hairstylistinnen und Mantafahrerinnen weckte.

An der Einrichtung hatte sie in all´ den Jahren nicht gespart. Nach jedem Besuch einer Sexmesse oder speziellen Einrichtungshäusern fanden sich neue Gegenstände in den Räumlichkeiten wieder. In ihrem geerbten 1200m² Domizil gab es neben den großen Liegewiesen und den vielen Betten auch spezielle Zimmer. Der erste Blick in eines dieser ließ den Weihnachtsmann damals etwas erröten. Viel erröten. Als er danach auf dem Schlitten Platz nahm, vermuteten die Rentiere, dass sein rotes Gesicht der Hektik des heiligen Abends in 1991 geschuldet war. Damals fand er es schade, sich mit ihnen nicht darüber austauschen zu können. Dank dem WWW, welches bei ihm nur zwischen Weihnachten und Sylvester zu nutzen war, konnte er nun die Kreuze, die Ketten, Peitschen und Nadeln zuordnen. Die verschiedenen Sybian Maschinen entlockten ihm inzwischen nur noch ein müdes Lächeln. Grinsen musste er, wenn er das Quietschen des großen Bauernbettes in der Bauernstube hörte. Zwischen rotkarierter Bettwäsche räkelten und bewegten sich immer ausreichend Körper beider Geschlechter. Es schien seit Jahrzehnten eines der beliebtesten Zimmer zu sein. Irgendwie rechnete der Weihnachtsmann bei seinen Terminen im Club, dass Susi ein Zimmer stylisch in eine Scheune umwandeln würde und er wildes treiben im Heu beobachten könnte, während Jürgen Drews aus den Lautsprechern dröhnen würde.

 

Der Zeitplan des Weihnachtsmanns war schon immer eng getaktet. Er kannte es kaum anders als: Rauf auf den Schlitten, runter vom Schlitten, Weihnachtsgeschenke schleppen, zurück zum Schlitten zu hecheln und die Rentiere zu Geschwindigkeitsübertretungen zu überreden. Mit „Work Life Balance“ hatte der Heiligabend schon lange nichts mehr zu tun. Manchmal versuchten die Rentiere ihn ein wenig zu entschleunigen und sangen laut „Last Christmas“. Den CD Spieler und die Lautsprecher hatte er bereits in den 90ern konfisziert, so dass nun ihre schrägen Stimmen den Song schmettern. Es hörte sich so gruselig an, so dass er meist laut lachen musste, um dann mit seinem Bariton einzustimmen.

Diese enge Taktung führte dazu, dass er sich eigentlich im Club nicht umschauen konnte. Oder umschauen sollte. Doch konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Beim Buffet blieb er immer hängen. Während er dem aktuellen Golden Retriever 2kg frisch Faschiertes in den Napf legte, machte sich bereits Vorfreude in seinem Bauch bemerkbar. Die Susi war eine Köchin der alten Schule. So sehr sie darauf achtete, den Club zeitgemäß einzurichten, sich selber optisch immer auf dem neuesten Stand brachte oder an hohen Feiertagen die nackig spielende Coverband „The Dreamboys and Dreamgirls“ zu buchen, so blieb sie ihrem Buffetstil seit der Eröffnung treu. Während die Dreamboys und Dreamgirls inzwischen mit den Zeichen der Zeit zu kämpfen hatten, wie Körperteile, die sich der Erdanziehungskraft hingeben mussten oder Körperhaare, die jedem Färbemittel trotzten oder Falten, die sich trotz teurer Hyaluronbehandlungen immer tiefer in die Haut gruben und sogar Botox an ihnen verzweifelte, so sah Susis Mettigel an jedem Heiligabend gleich aus. Es gab Dinge, die würden sich nie ändern. Nie würde sie auf einen Golden Retriever an ihrer Seite verzichten, nie würde sie ihr Gebot „Never fuck in the same company“ brechen, nie würde es neumodischen Schnickschnack auf ihrem Buffet geben. Und solange sie einen Hund an ihrer Seite hatte, würde der Weihnachtsmann diesem 2kg Faschiertes als Geschenk vorbeibringen. Und nie würde er vergessen sich das Buffet anzuschauen. Wenn es doch nur beim Anschauen bleiben würde. Ganz unbewusst legte er seine Tour so, dass er immer dann bei „Chez Susi“ aufschlug, nachdem sie gerade die Speisen aufgebaut hatte und bevor die ersten Gäste eintrudelten. Meterweise Köstlichkeiten gab es zu sehen: Mettigel in großer Auswahl, Tomaten-Mozarella-Spieße mit Basilikum, Spargelstangen aus dem Glas mit Kochschinken umwickelt und in Mayonnaise ertrinkend, Schichtsalat, Käse-Lauch-Suppe, Käsespieße. Soleier, Frikadellen, Krabbencocktail, Eiersalat, Russisch Ei, Vanillepudding und Rote Grütze.

Das liebevoll gestaltete Buffet anzuschauen, zu riechen und nicht davon zu naschen, schafft nur ein Masochist auf Diät. Diäten verpönte der Weihnachtsmann und ein Masochist war er auch nicht. Ausnahme: Der Gesang der Rentiere.

Während Susi die letzte Runde mit ihrem Golden Retriever absolvierte, nahm sich der Weihnachtsmann einen Teller und füllte ihn mit Köstlichkeient. Vorsichtig darauf bedacht, keine Spuren und leere Stellen auf den Platten zu hinterlassen. Die langsam gerinnende Mayonnaise im Eiersalat ignorierte er. Die Haut auf dem Vanillepudding ebenfalls. Voller Genuss verputzte er die Schlemmereien. Fast vergaß er die Zeit und sein Sättigungsgefühl. Die ersten Gäste trafen ein und er musste sich sputen, um nicht gesehen zu werden. Schnell stellte er seinen Teller mit dem Besteck unter das Bauernbett, rannte zum Kamin und stieg von dort nach oben. Denkste. Sein Aufstieg geriet ins Stocken. „Verdammte Laktoseintoleranz“ fluchte er in seinen Bart. Zu viel Vanillepudding, zu viel Mozarella, zu viele Käsespieße verursachten ihm ein unangenehmes Völlegefühl und einen exorbitanten Blähbauch, der ihn nun zwischen den Wänden des Schornsteins fixierte. Sarkastisch dachte er daran, dass er keine Ketten benötigte, um nicht von der Stelle zu kommen.

Wann würde er heute den Schornstein passieren können? Wie könnte er es beschleunigen, seine Luft so schnell wie möglich aus seinem Bauch zu bekommen?

Oh, heute musste er eine Erschwerniszulage beim Chef beantragen. Die Playlist stockte und WHAM sang zum vierten Mal in Folge über Last Christmas. Gut, dass die Rentiere es nicht hören konnten.

Berieselt von Weihnachtsmusik versuchte er anhand seines Verzehrs auszurechnen, wie viele Pupse er noch ablassen müsste, um die Luft in seinem Bauch deutlich zu verringern. Parallel spielten sich vor seinen Augen die Szenen ab, die er heute ungewollt in den verschiedenen Zimmern zu sehen bekam. Körper über Körper. Unmengen an original verpackten Kondomen lagen in den Ecken und Schalen herum, daneben leere Mülleimer ohne benutzte Kondome als Inhalt, kein vorzeigen des gelben Heftleins am Eingang und vögelnde Menschen als gäbe es kein Morgen mehr.

 

Heute konnte er ihnen noch fröhliche Weihnachten wünschen. An Sylvester würde er einigen von ihnen fröhliches sterben wünschen müssen.

 

 

Foto: pixabay.com

Hjorth & Rosenfeldt: Die Früchte, die man erntet (Ein Fall für Sebastian Bergmann, Band 7)

 

Klappentext:

Drei Morde innerhalb weniger Tage: Die beschauliche schwedische Kleinstadt Karlshamn wird vom Terror erfasst. Vanja Lithner und ihre Kollegen von der Reichsmordkommission stehen unter Druck, den Heckenschützen zu stoppen, bevor weitere Menschen ums Leben kommen. Aber es gibt keine Hinweise, keine Zeugen und keine eindeutigen Verbindungen zwischen den Opfern.
Sebastian Bergman hat sich für ein ruhigeres Leben entschieden, seit er Großvater geworden ist. Er arbeitet als Psychologe und Therapeut. Doch plötzlich wird seine Welt auf den Kopf gestellt, als ein Australier ihn aufsucht, um seine Erlebnisse während des Tsunamis 2004 zu verarbeiten. Bei dem Sebastian selbst Frau und Tochter verlor.
Wie viele andere auch, ersehnte ich den neuen Band sehnsüchtig.
Was soll ich sagen? Die Vorfreude wurde heftig enttäuscht. Dieser Band ist grottenschlecht. Auf mich wirkt es so, als hätte ein anderer Autor mitgeschrieben und nicht die beiden Autoren Hjorth & Rosenfeldt.
Die Zeitspanne zum Vorgängerroman und die eingetretenen Veränderungen sind gut erklärt.
Es kommt einfach keine Spannung auf. Liegt es am Plott? Liegt es daran, dass die Handlungsstränge, ungewohnt, hintereinander erzählt werden? Oder, dass Sebastian Bergmann ruhiger geworden ist?

Als die Neuererscheinungen im Jahresrhythmus rausgeknallt wurden, waren die Bände tausendmal besser geschrieben. In der Mitte dieses Buches überlegte ich mir wirklich es beiseitezulegen und nicht weiterzulesen. Es reizte mich nicht einmal das Ende zu lesen.
Doch ich hielt durch. Es war vergeudete Lebenszeit.
Für mich ist die Reihe auserzählt. Und die Figur Sebastian Bergmann ebenfalls.
Warum es noch einen Band geben wird, bevor die Reihe beendet wird, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wer das Buch trotzdem lesen möchte, dem sei empfohlen die Vorgängerbände zu lesen oder mindestens Bände 4 bis 6. Die Bände 1 bis 6 sind hervorragend geschrieben und verfügen meist über eine „Nagelabbeissgarantie“. 😊
Band 1: Der Mann, der kein Mörder war
Band 2: Die Frauen, die er kannte
Band 3: Die Toten, die niemand vermisst
Band 4: Das Mädchen, das verstummte
Band 5: Die Menschen, die es nicht verdienen
Band 6: Die Opfer, die man bringt

 

9. Mai

9. Mai
Kein runder Geburtstag für Dich.
Kein Muttertag für Dich.
Viele Grüße nach….
ja wohin?
Einem Ort, an dem es Dir besser geht?
Einem Ort, an dem Dich nichts mehr an vor dem 9. Juli erinnert?

Du fehlst.
Auf Deine Dir spezielle Art und Weise.

Deine Tochter

Kolumne: 10 Dinge

Liegt es an dem bald anstehendem Geburtstag oder der besinnlichen Stimmung, in der ich mich gerade befinde? Einige Gedanken gehen mir durch den Kopf und führen dazu diese Aufzählung zu schreiben. Nein, keine Einkaufsliste oder eine Liste über Bücher, die ich noch lesen möchte. Es ist viel einfacher.
„10 Dinge, die ich noch machen möchte, bevor ich 55 bin:“

Erstens:
Ich möchte ein halbes Jahr in Irland in einem gemütlichen Cottage am Meer leben. Dem schwülen Sommer hier entfliehen, mir Sonnenbrände bei Spaziergängen am Meer einfangen und mein „Erlebniswohnen am Fuße der Schwäbischen Alb“ beenden. Mit den Locals im Pub am Kamin sitzen, dem knistern der Flammen zuhören und den Geruch nach Torf genießen. Scones mit jam werde ich in meinen Tagesablauf einbinden. Und der Muse weise ich durch den Bauerngarten den Weg ins Cottage.

Zweitens:
Jedes Jahr möchte ich an einer gemütlichen Lesung teilnehmen oder eine eigene organisieren. Um sich im persönlichen Miteinander auszutauschen und sich kennenzulernen: Wer schreibt denn da? Wer liest denn da?

Drittens:
Einmal möchte ich mich trauen auf einem Rammstein Konzert in der ersten Reihe zu stehen. Mitsingen bis ich heiser bin und am nächsten Tag meine Ohren suchen.

Viertens:
Ich möchte eine Granny Square Decke häkeln. Meine eigene Oma Erinnerung produzieren.

Fünftens:
Täglich mindestens eine Seite schreiben. Warum wohl?

Sechstens:
Euch durch meine Zeilen zum Lachen und Weinen bringen. Euch amüsieren und nachdenklich machen.

Siebtens:
Einen Schreibwettbewerb gewinnen. Einfach so.

Achtens:
Meine Kurzgeschichten in einem eigenen Band veröffentlicht sehen. Das Exemplar anstarren, das Notizbuch in die Hand nehmen und weiterschreiben.

Neuntens:
Den Blick auf die Besonderheiten im Alltag nicht verlieren, denn ohne sie würde es die zehnminütigen „Read what I see“ Kolumnen nicht geben.

Zehntens:
Mit einem Glas Rotwein in der Hand einen Abend vor dem Kamin mit Philipp Poisel – oder doch Denis Scheck- nö Philipp Poisel verquatschen.

Kolumne: November 2014

Die Vergangenheit ruht.
Die Geister, die ich rief –
sie erscheinen nur gelegentlich.
Erscheinen noch in den unmöglichsten Momenten.
Ich lasse mich nicht beirren,
ich lasse mich nicht verwirren.

Ich lasse los,
ich schiesse in den Wind.
Ich begehre auf.
Ich kämpfe nieder.
Ich bekämpfe.

Ich siege.
In kleinen Schritten.
In sehr kleinen Schritten.

 

 

„Read what I see“ oder besser „Read what I cook“: Der Kochkurs

Der Kursleiter, der sehr viel Wert auf die Schreibweise „Bistrot“ legte eröffnete den Kochkurs „Pariser Bistrot Küche“. Entstanden sei diese Bezeichnung für einen Teil der französischen Küche während des zweiten Weltkriegs. Paris wurde durch Russen, die ihre Bestellung stets mit: „Bistrot, bistrot“ aufgaben, besetzt. Auf Russisch bedeutet es angeblich schnell. Den Wahrheitsgehalt habe ich nicht per google gegengeprüft.
8 Teilnehmer plus Kursleiter – eine überschaubare Teilnehmeranzahl für die große Küche. Mein Blick fiel auf die 12 Flaschen Wein. Aha, korrespondierenden Wein wird es also in reichlicher Menge geben. (Später stellte ich fest, dass ich als einzige mit dem Auto angereist war). Während der Vorstellungsrunde schaute ich mir die bereit gestellten Lebensmittel an. Die Qualität war wirklich gut.
Kicher, kicher, kicher. Wie es bei solchen Kursen manchmal ist, wenn die Hausfrauen abends los gelassen werden, erfüllte sich mein Vorurteil schnell. Der Worte wurden wenig genutzt, das Gekichere ersetzte sie. Die erste Weinfalsche wurde gekippt, bevor der erste Kochtopf heraus gesucht wurde; beim Kursleiter verbal eingeschleimt, wenn man bereits an einem Kurs teilgenommen hatte.
Herrlich für meine niederen Instinkte namens: „Ich liebe es zu beobachten…..“
Laut Kochplan sollte folgende gekocht werden:
Soupe courte a`la provencale, Provenzalische Suppe
Tatin dèchalotes, Tarte mit Schalotten
Tatin de Tomates, Tarte mit Tomaten
Quenelles de poisson, sabayon de safran, Fischklößchen mit Safran Zabaione
Souris dàgneau aux lentilles, kleine Lammhäxle mit schwarzen Linsen (grüne waren ausverkauft)
Magret de canard a`lórange, Ente Orange mit Orangensauce
Bourdelots normands, In Blätterteig gebackener Apfel
Sacristains, Blätterteigstangen mit Mandeln
Mousse au chocolat
Kürbispüree
Pommes Macaire

Diese Gerichte waren nicht nur auf dem Kochplan zu lesen. Nein, sie wurden auch alle gekocht. Später wurden alle reichlich probiert, bzw. reichlich davon gegessen.
Wo war ich stehen geblieben? Alle schlugen sich darum, Mitglied in der Gruppe zu sein, die die Ente zubereiten sollte. O.K., es war „nur“ Entenbrust, doch irgendwie wollte jeder die Ente massakrieren.
Die Teams wurden aus jeweils 2 Personen zusammengestellt. Meine Kochnachbarin war eine Frau namens xxxxx. Den Namen habe ich vergessen. Nicht vergessen konnte ich, dass sie niemals zuvor im Leben Zabaione geschlagen hat. Im Gegensatz zu mir. Diese Erfahrung wird sie sicherlich nicht so schnell vergessen oder gar wiederholen. Doch dazu später mehr.
Daheim habe ich als Arbeitsfläche in meiner Küche nur meine Spüle zur Verfügung. Das schränkt den Spaß am Kochen teilweise etwas ein. Umso mehr genoss ich die großen Arbeitsflächen in dieser Küche oder Zutaten und Töpfe mit einem Handgriff in der Nähe zu haben.
Wir legten mit der provenzalischen Suppe los. Lammfleisch, gepökeltes Schweinefleisch, Zwiebeln, Knoblauch, sehr viel frische Kräuter, gehackte Tomaten, Lammbrühe und Gewürze ergaben nach 1,5 Stunden eine tolle Suppe. Wenige Minuten vor Kochende wurden ein paar kleine Makkaroni beigefügt. Serviert wurde die Suppe mit etwas geriebenem Parmesan.
Was soll ich sagen? Der Topf wurde leer gegessen und ich werde sie in den nächsten Wochen nachkochen. Der Geschmack des Lamms tritt zugunsten des gepökelten Schweinefleisches zurück und ergibt eine sehr aromatische Mischung.
Weiter ging es mit den Fischklößen. 400 g Rotbarsch wurden von Gräten befreit, in kleine Stücke geschnitten und püriert. Eiweiß und etwas Sahne dazugeben und mit Salz, Pfeffer, Muskat und Cayennepfeffer abschmecken. Für 30 Minuten in den Kühlschrank geben. In unserem Fall stand die Schüssel neben der Mousse, von der wir nicht naschten, auch wenn es schwer fiel.
Ein Topf wurde mit Salzwasser aufgesetzt und die Fischklößchen abgestochen. In einem gebutterten Topf auf den Boden gesetzt und mit dem nicht mehr sprudelnd kochendem Salzwasser übergossen.
Gar ziehen lassen.
In der Zwischenzeit gab ich mir vor, mich nicht über die Kochnachbarin aufzuregen. Es gibt solche und solche Leute beim Kochen. Besserwisserinnen, wie in diesem Fall und „ich nutze jeden Topf, jede Messer die es gibt. Spülen können andere.“
Hach, mein kleiner Moment der Genugtuung sollte noch kommen. Nein, nicht dadurch, dass sie sich einen Wolf spülen würde. Nein, viel subtiler … Wer hat schon einige Zabaiones hergestellt? Ich.
Wer noch nie? Genau, die Koch-Utensilien-Verschwenderin.
„Soll ich vielleicht die Zutaten mischen und Du machst dann die Sauce? Der Kursleiter erklärt Dir, wie angeboten, die weitere Vorgehensweise anschließend in aller Ruhe.“
„Tolle Idee, so lerne ich es endlich.“ (Sie schaut überhaupt nicht dezent auf den riesigen Spülberg)
„O.K. wenn ich es schaffe, beginne ich schon einmal mit dem Abwasch.“
Schwups wurden Fischfond, Weißwein, Eigelb, Safran, Sahne, Tomatenmark, Salz und Cayennepfeffer vermischt, während das Wasser für das Wasserbad erwärmte.
„Kursleiter xxx, kannst Du mir bitte erklären, wie ich die Zabaione machen muss?“
Kursleiter kommt, erklärt ihr wie sie am besten rührt/schlägt und ich drehe mich um. Beginne innerlich grinsend mit dem Abwasch. Eine Zabaione lässt sich nicht in einer Minute schlagen.
Zwischenstand nach 5 Minuten:
Abwasch ist erledigt, abgetrocknet noch nicht.
Kochnachbarin schnauft leicht bei gleichzeitig gerötetem Gesicht.
Zwischenstand nach 7 Minuten:
Die Lautstärke beim schnaufen erhöht sich deutlich, die Armbewegungen sind deutlich langsamer.
Kochgeschirr ist abgetrocknet.
Zwischenstand nach 10 Minuten:
Mit hochrotem Kopf wird nach Verstärkung zum Rühren gerufen. Vergeblich.
Ich rolle Blätterteig in 4 Stücke aus, steche 4 Äpfel aus, fülle sie mit Vanillezucker, Calvados und Zucker. Stelle diese auf die Vierecke, schlage den Teig um und pinsele den Teig mit Eigelb ein.
Zwischenstand nach 15 Minuten:
Die Zabaione wird nicht dickflüssig, fluffig. Der Versuch wird aufgegeben.
Egal, es wird mit dem gemeinsamen Essen begonnen und ich frage mich, ob meine Kochnachbarin beim nächsten Kurs lieber spült, statt irgendwelche Zutaten aufzuschlagen?
Die Fischklößchen wurden mit der Safran Zabaione und etwas Baguette serviert. Sie schmeckten lecker. Ich fühlte mich wie nach meinem ersten Zahnarztbesuch: Fischklößchen zu machen tut gar nicht weh. Ist mit wenig Aufwand herzustellen, gut vorzubereiten und schmeckt einfach nur lecker.
Anschließend gab es die Tarte mit Tomaten. Da ich kein so großer Freund von Tartes bin, fand ich sie OK, aber nicht so berauschend. Geschmacklich wirklich gut, aber halt nicht so mein Fall.
Gefolgt wurde diese Tarte von einer Zwiebeltarte, die ein wenig daneben ging. Ein krümeliger Teighaufen aus Dinkelmehl war bedeckt mit karamellisierten Schalotten. Der Teig zuvor war ebenfalls von wenig Erfolg gekrönt, so dass dieser Versuch aus Zeitgründen herhalten musste. Wer Krümel mit zu dick karamelisierten Schalotten mag, der wird auf seine Kosten gekommen sein.
Es gab eine kleine Verschnaufspause. Wir schmissen den Backofen an, puhlten uns das Karamell aus den Zähnen, schauten den anderen Köchen über die Schulter, genossen den Duftmischmasch in der Küche, genossen ein Schluck Wein.
Weiter ging es mit den kleinen Lammhaxen auf schwarzen Linsen und Kürbispüree. Was soll ich sagen? Das Fleisch war butterzart, die Linsen ein Gedicht und das Püree lecker. Die Menge war sehr reichlich bemessen und wir hatten unsere Teller nicht wenig gefüllt.
Irgendwie schienen wir alle vergessen zu haben, dass noch ein Hauptgang (die Ente) und drei Desserts folgten.
4 Lammhäxle wurden mit Salz und Pfeffer gewürzt und in Öl angebraten. Später wurden Knoblauchzehen, Zwiebel, Thymian, Rosmarin, 1/8l Lammfond, 1/8l Rotwein dazu gegeben. Deckel drauf und 1,25 Std. kochen lassen.
In Öl Suppengemüse anschwitzen, schwarze Linsen und Lorbeerblätter zugeben. Mit Fond/Rotwein aufgießen und aufkochen. 1 Std. köcheln lassen.
Die Lammhäxle mit ihrem Fond zu den Linsen geben. Umrühren und für 30-45 Minuten in den Ofen stellen.
Boh, wenn solch Gericht auf dem Tisch steht gibt es nur eine einzige Gefahr: Dass man zu viel isst, weil es so bombig schmeckt.
Ein Teil der Kursteilnehmer kämpfte mit ihren Hosenknöpfen und wünschte sich bereits jetzt ein Verdauungsschnäpschen.
Weiter ging es mit der Ente Orange. Also Entenbrust Orange. Hierzu schreibe ich nichts zur Zubereitung, reiche diese notfalls nach.
Das Highlight bei dem Gericht war die separat gekochte Sauce. Eine „Angebersauce“, eine „Baby ich mache Dich schwach Sauce“, eine „damit befriedige ich auch die Schwiegermutter Sauce.“ Welches Superlativ hatte ich noch nicht in Gebrauch? Toll, super lecker, hammer lecker, bombig lecker? Ich sage nur: Turbo lecker.
Honig wird mit dem Orangensaft aufgekocht, reduziert. Die Streifen von der Orangenschale im Saft verrühren, dann den Essig zugeben, reduzieren. Rotwein dazu, reduzieren. Geflügelfond dazu, reduzieren. Es sollen etwas 0,3l Sauce übrig bleiben.
Mit den Gewürzen abschmecken.
Zur Entenbrust gab es die besagte Sauce in kleiner Menge und Pommes Macaire. Letztere mag ich seit den 80er Jahren nicht mehr, passten aber gut zu dem Gericht. Wie soll ich sagen? Die „Ich bin aber satt“ Rufe wurden lauter. Um sich zu bewegen, wurde eine allgemeine Spülrunde eingeläutet. Weiter ging es der Mousse au chocolat. In diesem Rezept wird die Hälfte der Sahne durch Butter ersetzt. Die Mousse ist in der Konsistenz fester, schmeckte auch nicht mehr so süß. Wir nahmen jeder einen kleinen Löffel. Die Hosenknöpfe sollten schließlich dran bleiben.
Wo blieb eigentlich der Rest der fast vollen Schüssel?
Es folgten die Blätterteigstangen mit Mandeln, die gar nicht blätterten und bei weitem nicht so süß schmeckten, wie man im Vorfeld geglaubt hatte. Lecker.
Blätterteig wurde ausgerollt, mit Eigelb bepinselt und der Inhalt einer Vanilleschotte darauf verteilt. Puderzucker mit gemahlenen Mandeln vermischen und bis auf 3 EL darauf verteilen, ebenso 2/3 der gehobelten Mandeln. Einmal zusammenschlagen, Streifen von ca. 2cm Dicke schneiden, radeln. Jedes Teil drehen und auf Blech setzen. Mit dem restlichen Ei bepinseln und den restlichen Zucker und Mandeln darüber streuen.
Zum Schluss, kurz bevor die Hosenknöpfe abfielen, gab es die in Blätterteig gebackenen Äpfel mit einem Glas Calvados. Auch diese schmeckten lecker, waren aber nichts Besonderes. Wir waren halt an dem Abend zu sehr verwöhnt worden.
Es begann die Plauderrunde, die den Kursleiter anhimmelnde Gesprächsrunde (man will ja schließlich wieder am nächsten Kurs teilnehmen können) und die „Ich will jetzt gar nicht mehr nach Hause“ Gesprächsrunde. Ich weiß nicht, ob man aus meinen Worten nachvollziehen kann, dass ich mich an dem Abend teilweise köstlich amüsiert habe. Zum einen habe ich etwas gelernt, Angst vor Fischklößchen verloren, Schadenfreude gegenüber meiner Kochnachbarin gehabt (tja, hatte ich wirklich ein wenig) und den meisten Spaß an den Beobachtungen meiner Mitstreiterinnen gehabt.
Doch beinahe hätte ich einen wichtigen Punkt vergessen. Ich kann nicht schließen, ohne auf das Thema „Tupper“ einzugehen.
Ja, so ist es mit den Schwaben. Wenn in der Kursbeschreibung steht, „Tupperschalen mitbringen“, so wird dieser Aufforderung brav gefolgt. Sie werden nicht nur in große Einkaufstaschen mitgebracht, nein sie werden auch gefüllt mit heim genommen. Der noch reichlich gefüllte Topf mit Resten wird unter dem Vorwand: „Ich gehe schon mal den Topf spülen“ außer Reichweite des Esstisches gebracht, an dem die “Konkurrenz“ sitzt. Anschließend wird sich auf den Küchenboden gehockt, durch die Küchenzeilen von Blicken der anderen Teilnehmer geschützt der Inhalt des Topf heimlich in die Tupperschale(n) umgefüllt und leer der Kochkollegin präsentiert.
Ich verstehe die Welt nicht mehr.
So erging es auch den Lammhaxen mit schwarzen Linsen und Kürbispüree, die noch locker für eine 6-köpfige Familie, die Cortison einnehmen und dementsprechenden Heißhunger haben, gereicht hätten. Sie wurden schnell von einer Teilnehmerin in eine riesige Tupperschale verfrachtet und in der Ecke gebunkert.
Interpretation:

  • Der Schwabe bunkert, was er bekommen kann?
  • Die Schwäbin hat keine Lust zu kochen und füttert ihren Ehemann viele Tage damit?
  • Die Schwäbin nimmt die Tupperschale mit in die Firma, um in der Mittagspause angeben zu können. „Schaut ´mal liebe Kollegen, was ich Euch tolles in meiner schlaflosen Nacht nur für Euch gekocht habe.“

Mensch, ich hätte beinahe meine Seele verkauft, um von diesen Linsen erneut einen Löffel naschen zu können.

Und wo ist die Schüssel mit der Mousse geblieben???

 

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