Kolume: Das Reservezimmer
„Kann ich in Ihrem Hotel noch eine Nacht anhängen? Hätten Sie noch ein Zimmer frei?“
„Nein, wir sind ausgebucht. Ich kann Ihnen aber das Reservezimmer anbieten.“
„Reservezimmer? Ist das so etwas wie ein altes Dienstbotenzimmer unter dem Dach und nur über eine kleine Holztreppe zu erreichen?“
„Nein!“ und lacht. „Es ist das Zimmer ohne Badezimmer. Es würde ein eigenes für Sie geben, nur kurz über den Flur rüber. Vielleicht zwei Meter von dem Zimmer entfernt.“
„Es ist ein Einzelzimmer?“ hakte ich sicherheitshalber nach.
„Ja, das ist es.“
So buchte ich es, um noch einen Tag länger am Bodensee bleiben zu können. Das Einzelzimmer mit dem Badezimmer zur Alleinnutzung über den Flur.
Nach dem Frühstück zog ich also für die letzte Nacht ein paar Meter weiter auf der gleichen Etage um. In das sogenannte Einzelzimmer. Mit meiner Reisetasche in der Hand öffnete ich die Tür und wich zurück, da ich keinen Schritt weiterkam. Im Raum befanden sich zwei Einzelbetten. Ein Einzelbett und eine Gästeliege. Der Gang zwischen den beiden war zu klein, um dort die Reisetasche abzustellen. Rechts vor den Betten befand sich ein kleiner Kleiderschrank, auch dort fand sie keinen Platz. Ebenfalls nicht auf dem kleinen Sideboard links. Ich stellte sie auf die Gästeliege. Unter dem Fenster geradeaus stand ein Nierentisch, links davon befand sich an der Wand ein kleines Waschbecken. In der Beschreibung mag sich das Zimmer als groß darstellen, dem war es aber nicht. Egal, wie man sich bewegte, man stieß immer irgendwo an. Um an das Fenster zu gelangen, musste ich quer zwischen den Betten entlanglaufen. Ein Ventilator befand sich ebenfalls in dem Zimmer. Leider gab es keine Steckdose dazu.
Ein Stuhl war nirgends zu sehen. Was nutzt ein kleiner Nierentisch aus den 50er Jahren, wenn man dort nicht sitzen kann? Notizen und Postkarten schrieb ich, indem ich mich auf das Bett legte. Der Fernseher passte sich dem Raum an. Er war winzig und verfügte über fünf Kanäle. ZDF war nicht dabei.
Diese Rumpelkammer war der ideale Ort, um Platzangst hervorzurufen. Wenn man bereits darunter litt, war dieses Zimmer ideal, um mit einer Konfrontationstherapie zu starten.
Die nächste Herausforderung bestand darin, wie eine kleine Lampe in die Nähe des Bettes zu bekommen, um darin zur Nacht noch etwas zu lesen?
Der Rumpelkammerumbau fand statt. Der Nierentisch wurde neben das Bett gestellt, mit dem Ergebnis, dass sich die Eingangstür nicht mehr öffnen ließ. Anschließend holte ich die Lampe vom kleinen Sideboard. Um den Stecker zu entfernen, musste ich das Board abrücken. O là là. Neben den obligatorischen dutzenden toten Lichtmotten befanden sich mehrere Socken und viele Wollmäuse hinter dem Sideboard. Einzelne Socken, die doch jemand vermissen würde? Nun weiß ich, dass nicht nur Waschmaschinen Socken fressen, verstecken oder vernichten.
Nachts musste ich das Bad aufsuchen und meinen Umbau wieder zurück bauen, um zur Tür zu gelangen. Das Bad war O.K., doch nicht mit Größe gesegnet. Saß man auf der Toilette musste man währenddessen die Füße in die Dusche stellen.
Reservezimmer, oder Abzockzimmer?
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Jörg Maurer: Am Abgrund lässt man gern den Vortritt: Alpenkrimi (Kommissar Jennerwein ermittelt, Band 10)
Klappentext:
Nur der Föhn kennt die ganze Wahrheit. Kommissar Jennerweins waghalsigster Fall – der zehnte Alpenkrimi von Nr.1-Bestsellerautor Jörg Maurer.
Kommissar Hubertus Jennerwein gönnt sich eine Auszeit. Aber schon vor der geplanten Abreise trifft er auf dem Bahnhof einen Kommissar-Kollegen aus dem Allgäu und wird aufgehalten. Gerade als die beiden so richtig ins ermittlerische Fachsimpeln kommen, erreicht Jennerwein ein Hilferuf aus dem Kurort: Ursel Grasegger, Bestattungsunternehmerin a.D., hat eine blutige Morddrohung gegen Ignaz erhalten. Ihr Mann ist seit Tagen unauffindbar. Ist er in den Händen von Entführern? Oder hat er heimlich etwas Illegales geplant, was nun schiefgegangen ist? Jennerwein weiß nur zu gut, dass die Graseggers beste Mafiaverbindungen haben. Aber er verspricht Ursel, Ignaz‘ Spur außerdienstlich zu verfolgen – und bringt sich in noch nie gekannte Gefahr. Sein Team geht derweil tödlichen Umtrieben von Medizinern nach, eine frühere Freundin von Ignaz kündigt ihre bevorstehende Ermordung an, und auf einmal steht Jennerwein vor dem Abgrund seiner Polizeikarriere…
Lese ich ein Buch von Jörg Maurer mit der Hauptfigur des Kommissar Jennerwein, so fühlt es sich an, als würde ein guter Freund zu Besuch kommen. Dieses Mal hatte ich nach dem Lesen des Buches das Gefühl, dass der gute Freund nicht in Form war und zu früh gegangen ist.
Wie immer ist das Buch mit einem himmelblauen Cover gestaltet und zum Jubiläum in 10 Kapitel unterteilt, wobei jedes Kapitel mit der gleichen Tierzeichnung versehen ist.
In diesem Buch spielt das Bestattungsehepaar Grasegger eine Hauptrolle. Ignaz Grasegger ist seit Tagen verschwunden, bedeutet die zuvor erhaltene blutige Morddrohung, dass er tot ist?
In dem 10. Krimi kommt die Spannung, der Wortwitz, der schwarze Humor und die Satire nicht zu kurz. An das Niveau gewöhnt man sich als Leser recht schnell und wird diesbezüglich auch dieses Mal nicht enttäuscht.
Die Handlung überzeugt mich einfach nicht. Natürlich vermisst man zwei Hauptfiguren, die nicht mehr im Polizeidienst beim Kommissar Jennerwein tätig sind. Doch die Geschichte um die italienische Mafia, das überstürzte Handlungsende – es passt irgendwie nicht so richtig zusammen. Hätten die 429 Seiten gekürzt werden können oder hätten sie mehr sein müssen? Diese Frage habe ich mir bis heute nicht beantworten können.
Die letzten Seiten lesen sich beinahe wie ein Abschied der Figur Jennerwein.
Vielleicht jammere ich auf hohem Niveau, doch bin ich bessere Krimis um Jennerwein und sein Team gewohnt.
„Read what I see:“ Eine Bootsfahrt, die ist …..
Das Geräusch von kratzender Kreide auf einer Tafel ist eines der gemeinsten Geräusche, die ich kenne. Es gibt ein Geräusch, welches nicht gemein ist, mich aber unendlich nervt: Das Gekreische von Metallstühlen, welche auf Bootdecks hin und her geschoben werden. Ratsch, ratsch. Auf Decks von Ausflugsbooten. Es sind diese Art von Stühlen, die auf der Sitzfläche drei Verstrebungen und an der Rücklehne zwei Verstrebungen haben. Alternativ fünf kleine auf der Sitzfläche und drei auf der Rückenfläche. Könnten meine Ohren sprechen, so würden sie laut brüllen. „Hebt die Stühle an und schiebt sie nicht einfach hin und her!“ Doch wie könnte es man den bequemen Ausflüglern erklären? Da wäre das verhaltensauffällige Kind mit den bildungsfernen Eltern. Die würden es doch gar nicht verstehen. Oder verstehen wollen. Die zittrige, kleine Oma, die mit ihrer nicht weniger zittrigen männlichen Begleitung alle zwei, drei Minuten mit unsicheren, sehr kleinen, Schritten zur Reling geht, auf den Horizont schaut, um dann wieder langsam zu ihren Tisch zu gehen und mindestens eine Minute ihren Stuhl in Position schiebt, sich dann so hinein plumpsen lässt, dass sie mit ihm weg rutscht und ihn erneut zu schieben beginnt. Ratsch, ratsch. Sie verfügt wirklich über eine kleine Statur, trägt eine weiße lange Hose, darüber ein rosafarbenes Rüschentop. Von hinten sieht man ihre fleischfarbene Miederhose aus dem Hosenbund herausragen. Jemand sollte sie darauf aufmerksam machen.
Ratsch, ratsch, ratsch, ratsch. Die Stühle werden erneut geschubst, geschoben und sich ein Plätzchen eingerichtet. Je nachdem wie schwer die Gäste sind knattern dies Stühle zusätzlich kräftig.
Ein Pärchen setzt sich hin und ruft sofort nach der Bedienung. „Ein großes Weizen und einen Aperol.“ Er trägt eine kurze Jeanshose, rotes Achselshirt, die seine Tattoos auf den Armen zeigen, Flips Flops und eine schmale Sonnenbrille. Das Gesicht ist unrasiert. Eine Lederkette mit Kreuz ziert den breiten Hals, im linken Ohr blinkt ein Ohrring. Sie trägt ebenfalls eine kurze Jeanshose, ein rosafarbenes Top und Flip Flops. Als sie aufsteht schmatzen diese auf dem Boden des Decks. Ihre in der Armbeuge getragene Handtasche blinkt durch die Anzahl der angebrachten Strasssteine. Diese sind auch an ihrer Sonnenbrille reichlich vertreten. Sie kommt mit einem großen Weizenbier zurück, verschüttet beim Laufen die Hälfte auf dem Boden. Als sie mit ihren Flip Flops dort hinein tritt, verwandelt sich das schmatzende Geräusch in ein „gleich lege ich mich lang“ Geräusch. Leichte Schadenfreude macht sich in mir breit, die nicht erfüllt wird.
An der nächsten Anlegestelle kommen weitere Ausflügler an Bord. Die nächsten Minuten sind gefüllt mit Stimmengewirr und Fragen wie: „Wo sollen wir uns hinsetzen?“ „Ist dieser Stuhl noch frei?“ „Maaaaamaaaa, wo ist das Klo?“, währenddessen die Stühle von vorne nach hinten und zur Seite gerückt werden. Die damit einhergehende Geräuschkulisse sprengt fast meine ohrale Toleranzgrenze. Ratsch, ratsch höre ich im Akkord. Um mich abzulenken beobachte die Gäste. Eine alte Frau mit Sonnenhut, der sich durch den Wind ständig von ihrem Kopf löst, zerschneidet hingebungsvoll zwei Äpfel in achtel mit denen sie ihren betagten Ehemann füttert. Als die Kellnerin sie nach ihrem Getränkewunsch fragt, wird diese mit herrischem Ton weggeschickt.
Links von ihnen sitzt eine Familie mit Kindern, wobei mir die Eltern auffallen. Er schaut ständig an sich herunter, spricht über seine nicht vorhandene Körperbräune und schiebt sein T-Shirt an den Oberarmen hoch, damit diese auch braun werden. Blöderweise rutschen diese immer wieder herunter. Er rollt sie wieder hoch. Das Spiel geht nun seit über zehn Minuten. Mir erschließt sich der Sinn der Aktion nicht, da der Rest der Arme bleich ist. Hofft er in einer Stunde Fahrt eine nahtlose Bräune an den Armen zu bekommen?
Rechts von ihm sitzt seine Frau. Die Haare sind wasserstoffblond gefärbt, das pinkfarbene T-Shirt legt sich eng an den Oberkörper. Mit einem Coffee to go Becher in der Hand ließ sie sich krachend in einen der Stühle fallen, der unter ihr, mit ihr ein Stück wegrutscht. Dadurch überhaupt auf sie aufmerksam geworden fallen mir besonders die Oberschenkel ins Blickfeld, die links und rechts am Stuhl herausquellen. Es fällt mir schwer vorzustellen, wie sie aus diesem unbeschadet aufstehen wird. Auch sie trägt eine Sonnenbrille, die mit vielen Strasssteinen besetzt ist. Um ihren kräftigen Hals, den man nur von hinten betrachten kann, denn vorne ist er vom Doppelkinn überlagert, trägt sei eine dicke Perlenkette. Ob es sich um künstliche oder echte Perlen handelt mag ich nicht beurteilen, Ihre pink lackierten Fußnägel beißen sich farblich mit dem pink ihres T-Shirts.
Das verhaltensauffällige Kind mit der Stimme von Chucky, der Mörderpuppe, ist verschwunden oder zumindest schweigsam. Allgemein befinden sich sehr wenige Kinder auf dem Schiff. Ein etwa dreijähriger Junge verfüttert seine Chicken Nuggets an die Enten im See, die es dort gar nicht gibt. Erst als das letzte Nugget über Bord geworfen wurde bemerken die Eltern, dass der Teller ihres Sohnes zwar leer, er aber nicht satt geworden ist. Sein Geschrei verdeutlicht es.
Mein Ziel ist erreicht und ich stehe auf. Ebenso die alte Dame mit Hut, die zuvor noch ihre Äpfel klein geschnitten hatte. Die Abfälle dreht sie in ein kleines Stück Zeitungspapier ein, welches sie dann zwischen zwei Streben am Stuhl quetscht.
Beim Verlassen des Schiffes bemerke ich erneut, dass manche männliche Angestellte Allüren an den Tag legen und sich für die schönsten weit und breit halten. Oder zumindest wie Sascha Hehn als Steward auf dem Traumschiff fühlen, Dabei reicht es bei den eitlen Gockeln noch nicht einmal zur abgehalferten Version.