„Read what I see“: Ein Tag am See

Der Tag am See begann mit dem üblichen Aufbau der Luftmatratze, dem verteilen des Buches auf dieser und der Suche nach der Sonnenbrille. Ihr Revier unter einem schattigen Baum auf der leeren Wiese war markiert.
Noch leerer Wiese.
Bereits auf dem Parkplatz wunderte sie sich über die Anzahl der geparkten Autos. Das Publikum verlief sich auf dem Gelände um den See, so dass frühmorgens alles noch recht ruhig war.
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Ferdinand von Schirach: Strafe

Klappentext:
Was ist Wahrheit? Was ist Wirklichkeit? Wie wurden wir, wer wir sind?
Ferdinand von Schirach beschreibt in seinem neuen Buch „Strafe“ zwölf Schicksale. Wie schon in den beiden Bänden „Verbrechen“ und „Schuld“ zeigt er, wie schwer es ist, einem Menschen gerecht zu werden und wie voreilig unsere Begriffe von „gut“ und „böse“ oft sind.
Ferdinand von Schirach verurteilt nie. In ruhiger, distanzierter Gelassenheit und zugleich voller Empathie erzählt er von Einsamkeit und Fremdheit, von dem Streben nach Glück und dem Scheitern. Seine Geschichten sind Erzählungen über uns selbst.
 

Beim Öffnen des Buches fiel mir gleich die Schriftgröße auf. Auch ein Leser mit wenig Sehkraft wird diese Geschichten, Dank der großen Schrift, lesen können. Durch die Schriftgröße und den vielen eingeschobenen Absätze erhielt ich schnell den Eindruck, dass dieses Buch mit seinen wenigen 189 Seiten künstlich gestreckt wurde. Soll vermieden werden, dass dem Leser sehr schnell auffällt, dass für den Kaufpreis von 18€ recht wenig Inhalt geliefert wird? Diese Frage beantworte ich mit ja.
Die Geschichten habe ich in einer Nacht weg gelesen. Ich mag den Schreibstil. Die Erzählperspektive und die kurz gehaltenen Sätze. Doch mehr auch nicht. Nachdem ich „Schuld“ und „Verbrechen“ gelesen hatte, war ich bereits von den Romanen enttäuscht. Nun las ich die erste Geschichte und dachte, nachdem ich sie gelesen hatte: Das war es nun? Ich hielt diese für einen Ausrutscher in dem Buch und begann die nächste. Das Ergebnis änderte sich nicht. Das Buch wurde von mir nur deshalb in einer Nacht gelesen, weil ich die Hoffnung hatte, gleich kommt eine Geschichte, die so gut ist, wie in den anderen Büchern. Diese Hoffnung wurde enttäuscht. In den Geschichten wird viel über Einsamkeit geschrieben und es geschieht auch der eine oder andere Mord. Darüber wird mit einer Nonchalance geschrieben, die mich ein wenig an Ingrid Noll erinnert. Insgesamt wirken die Geschichten, insbesondere „Tennis“ als unausgegoren, lieblos und nicht ausgereift.
Ich kann mich einfach des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Geschichten nur veröffentlicht worden, um etwas zu veröffentlichen. Wäre ein anderer Schrifttyp verwendet worden, würde dieses Buch keine 150 Seiten umfassen. In Zusammenhang mit dem o.g. Preis eine Unverschämtheit.

„Read what I see:“ K-Ä-W-I-N oder Im Freibad

Der Sonntagmorgen im Freibad begann leise und unaufgeregt. Die Schwimmer und Schwimmerinnen grüßten sich noch, wenn sie aus dem Schwimmerbecken stiegen oder man sich unter den Duschen begegnete.
Langsam füllte sich das Freibad mit Freizeitschwimmern, Sonnenanbetern und mit Kevin, Louis und Leo. Diese Jungen waren mir zuvor unbekannt, im Laufe des Tages kannte ich mindestens die lauten Rufe ihrer Mütter. Louis Mutter setzte sich so auf eine Holzbank, dass sie sich mit dem Rücken an ein Gitter anlehnen konnte und verharrte für mehrere Stunden in dieser Stellung. Sie platschte dort und bewegte sich keinen Zentimeter, schrie gerne herum. Benötigte sie ein Papiertaschentuch, so ging es folgendermaßen. „Louis“ wurde lauthals gebrüllt „hol´mir ein Tempo.“ Hörte Louis nicht sofort, so schrie sie seinen Namen einmal, zweimal oder auch dreimal. Je nachdem aus welcher Ecke des Freibads er kam und der Weg zu ihr dementsprechend lang war. Dann griff er in die Badetasche und reichte ihr das gewünschte. Den Namen des zweiten Jungen erfuhren die Badegäste nicht, da sie nie nach ihm rief. Durch ihr Geschrei wurde die Aufmerksamkeit vieler Badegäste auf sie gelenkt. Der eine nahm nur die schwarz lackierten Fußnägel wahr und fragte sich sicherlich, ob Louis ihr die auch hat lackieren müssen. Die Beine waren komplett mit dicken Krampfadern durchzogen, die Bräune kaschierte etwas die stark ausgeprägte Orangenhaut. Der Haarschnitt hatte bereits bessere Zeiten gesehen. Der Badeanzug ebenfalls. So saß und saß sie dort über Stunden. Wenn sie etwas benötigte, schrie sie nach Louis, der es ihr brachte. Als die beiden Jungs sie baten ein Eis kaufen zu dürfen, verneinte sie es. Nicht leise. Oh Mann, ihr schreien war schon ohrenbetäubend, doch ihre Kodderschnauze nicht weniger unangenehm anzuhören. Louis durfte eine Tüte mit Zwiebelringen aus einer Tasche holen. Die Durstmacher. So war es nicht verwunderlich, als die Jungs kurz darauf wiederkamen und um etwas zu trinken baten. Laut wurde es verneint und ich weiß nicht, wo sie ihren Durst stillen konnten. Als sie mit ihren beiden Jungs das Freibad verließ wurde es bedeutend ruhiger in der Ecke.
Bis Kevin kam. Ein kleiner, braun gebrannter Junge mit Hüftspeck über der Badehose. Im Alter von ca. 10 Jahren. Begleitet von einer Mutter, die in einem schwarzen Badekleid gekleidet war und deren dauergewelltes und blondiertes Haar vor zwanzig Jahren modern gewesen war. Der Vater trug ebenfalls schwarze Badekleidung und ähnelte seinem Sohn optisch sehr. Oder umgekehrt. Für mich war es eine Überraschung den Namen Kevin zu hören. Ich hatte wirklich gedacht, dass der Name unter den Kindern bis zehn Jahre ausgestorben wäre. Kevin nahm seine übergroße Wasserpistole, stellte sich auf die Kinderrutsche und machte sich ein Vergnügen daraus, kleine Kinder, die noch in Windeln herumliefen, ins Gesicht zu spritzen. Oder Kinder, die rutschen wollten, so lange zu bespritzen, bis sie weinend davonliefen. In wenigen Minuten wurde er der Herr über Rutsche und Sandkasten. Keine Kinder hielten sich dort mehr auf. Also bespritzte er größere Kinder, die sich hätten wehren können. Nun bemerkten auch seine Eltern, dass es für Kevin eng werden könnte.  „K-Ä-W-I-N“ schrie sein Vater. „Komm her.“ Das war Kevin egal. Er schaute seinen Vater an, der weiter an seiner Bierflasche nuckelte, und bewegte sich keinen Zentimeter. Als wüsste er, dass auch sein Vater sich nicht von der Stelle bewegen würde. Kevin ging zum Kinderschwimmbecken, füllte seine große Wasserpistole auf und nahm Jugendliche ins Visier. „K-Ä-Ä-Ä-W-I-N“ brachte schier mein Trommelfell zum Platzen. Nun brüllte auch die Mutter. Der Junge bewegte sich weiterhin nicht, seine Eltern ebenfalls nicht. Inzwischen sprachen Erwachsene Kevin an, doch er reagierte nur mit weiteren Stößen aus seiner Wasserpistole. Vermutlich konnte sich niemand der Anwesenden dafür entscheiden, ob sie den unerzogenen Kevin nervig fanden oder die brüllenden Eltern, die sich keinen Zentimeter von ihren Liegen bewegten, während sie die Bierflaschen leerten. Ich verpasste den Augenblick als jemand Kevin die Wasserpistole entzog. Nun gab es erneutes Gebrüll. Allerdings ohne Namensnennung. Kevin brüllte sich die Seele aus dem Leib. Irgendwann stand sein Vater auf und zog Kevin zu seiner Liege. Auf eine rabiate Art und Weise zeigte der Jungen sein Missfallen darüber, indem er seinen Vater ins Gemächt boxte. Nicht nur ich verkniff mir ein Lächeln. Wenige Minuten später wurde es still. Kevin mit Anhang hatte das Bad verlassen.
Entspannt saß ich auf meiner Liege, trank einen Kaffee, las in meinem Buch und beobachtete über die Sonnenbrille schielend den Bereich um das Kinderschwimmbecken. Auffällig viele Männer mit Brüsten kamen auf ihrem Rückweg vom Kiosk daran vorbei. Badehosen in verschiedensten Neonfarben passierten auf zwei Beinen den Weg am Becken und manch einer konnte es nicht abwarten sofort seine Pommes zu naschen. Mit der Bierflasche in der rechten Hand, der Schale mit Pommes in der linken, gestaltete es sich ein wenig schwierig. Also wurde der Mund in die Pommes getunkt, mit den Zähnen zwei, drei verschlungen und die Mayonnaise fand den Weg an die Nasenspitze. Die Nasenspitze entsprach farblich nun der Farbe des Oberkörpers.
Das Kinderschwimmbecken füllte sich wieder mit Kindern, die plantschten, die Fontänen zu bändigen versuchten und einfach ihren Spaß haben wollten. Ein Mädchen kam mit ihrem kleinen Bruder dazu. Sie spritzten sich nass und er setzte sich auf eine Fontäne. Nun ging es los. Sobald er etwas machte, kommentierte er es mit lauten Schreien und gutturalen Lauten. Verließ er die Fontäne: schreien. Kam seine Schwester oder ein anderes Kind in seine Nähe: schreien. Innerhalb weniger Minuten hatte er das Kinderbecken leer geschrien. Auffällig war, dass er dabei immer in Richtung des großen Beckens schaute und schrie. Plötzlich wurde er still. Nein, sein Kopf war nicht unter Wasser geraten. Eine Frau, die nur auf ihr Smartphone stierte, näherte sich. Von nun an sprach er in ganzen Sätzen. Machte sie auch nur Anstalten, wieder weg zu gehen, schrie er. Er schrie sich schier seine Mutter herbei. Sie musste nur anwesend sein und dabei noch nicht einmal mit ihm sprechen oder ihn gar anschauen. Er erzählte ihr alles, was er gerade tat. Unabhängig davon, dass sie ihm nicht antwortete, sondern sich nur mit ihrem Smartphone beschäftigte. Mir tat der Junge leid. Als die Mutter wieder zu ihrem Liegeplatz ging, schrie er auf Kommando los und die inzwischen wieder eingetroffenen anderen Kinder verließen erneut das kleine Becken. Irgendwann nahm seine Schwester ihn an die Hand und sie gingen.
Es wurde so still.
Das Kinderbecken füllte sich erneut. Ich  begann einige Runden im großen Becken zu drehen bis mir ein großer, übergewichtiger Mann beim seitlichen einspringen ins Becken fast auf den Kopf sprang.
Ein Zeichen das Freibad für heute zu verlassen.

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